Im Kanton Solothurn sind die Gemeinden mächtiger als in anderen Kantonen. Die Möglichkeit, kantonale Abstimmungen zu erzwingen, gibt ihnen viel Einfluss.
Zehn Jahre lang war der Derendinger Gemeindepräsident Kuno Tschumi (FDP) Präsident des Gemeindeverbands und damit «der sechste Regierungsrat». Am 1. Juni hat er das Amt an seinen Nachfolger Roger Siegenthaler (FDP, Lüterkofen) übergeben.
SRF News: Kuno Tschumi, Sie hatten zehn Jahre lang einen der mächtigsten Posten im Kanton Solothurn. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, diesen nun aufzugeben?
Kuno Tschumi: Ziemlich schwer. Wir haben die ganzen zehn Jahre daran gearbeitet, dass wir unseren Einfluss ausdehnen können. Jetzt sind wir auf einem anständigen Niveau. Da reut es einen schon ein bisschen, wenn man von Bord gehen muss. Aber es ist jetzt auch Zeit.
Die Solothurner Gemeinden haben mehr Einfluss als die Gemeinden in vielen anderen Kantonen. Sie waren also tatsächlich der sechste Regierungsrat?
Vielleicht indirekt. Das ist unseren Anstrengungen zu verdanken. Dass wir nicht versucht haben, Macht auszuüben, oder nur, wenn es wirklich nötig war.
Macht ist ein verfängliches Wort. Ich habe lieber das Wort Einfluss. Wenn man Macht ausüben muss, hat man eigentlich keine.
Wir haben vielmehr versucht, kooperativ die beiden Ebenen Kanton und Gemeinden miteinander zu verzahnen. Denn das braucht es eigentlich: dass beide Ebenen ihre Aufgaben richtig erledigen können.
Ein Beispiel für die Macht der Gemeinden: Der Kanton Solothurn muss das Milliarden-Loch in der Pensionskasse alleine ausfinanzieren, die Gemeinden beteiligen sich nicht. Sie hatten zwar einen Deal mit der Regierung ausgearbeitet für eine Beteiligung der Gemeinden, gerieten dann aber im Verband unter Druck. «Gemeinden vor Zerreissprobe» lautete eine der Schlagzeilen im Jahre 2014. Man hatte damals den Eindruck, Kuno Tschumi sei wohl nicht mehr lange Präsident…
Ich bin Anwalt von Beruf und bin mir solche Situationen gewohnt. Persönlich hatte ich das Gefühl, es wäre angebracht gewesen, wenn die Gemeinden etwas gezahlt hätten, aber schlussendlich sagte das Volk Nein dazu. Die Situation zeigte, wie heterogen die Gemeinden sind. Das schwierigste am Präsidenten-Posten ist, Gemeinden beieinander zu halten, die sehr unterschiedlich gross sind und zum Teil diametral entgegengesetzte Auffassungen haben.
Wenn man die Gemeinden als Herde bezeichnen möchte, war ich nicht der Hirte, sondern der Hirtenhund.
Ein wichtiges Druckmittel des Gemeindeverbands ist das Gemeindereferendum. Das gibt es nur in wenigen Kantonen. Fünf Solothurner Gemeinden können eine kantonale Abstimmung erzwingen. Verschiedentlich wird damit gedroht. Führt das dazu, dass sich die Regierung vor Abstimmungen fürchtet und im Sinne der Gemeinden entscheidet?
Das ist ein sehr wichtiges Instrument. Bund und Kantone haben Parlamente, die Gemeinden auf ihrer Ebene haben das nicht. Die müssen aber auch ein Mittel haben, um ihre Interessen auf Augenhöhe zu vertreten. Es gibt auch die Gemeindeinitiative, die haben wir auch einmal ergriffen, als wir 2009 eine höhere Beteiligung des Kantons an den Lehrerlöhnen verlangt haben. 80 Gemeinden haben das damals verlangt. Das machte den Druck so hoch, dass wir letztlich einen neuen Finanzausgleich erhalten haben.
Ihr Verband hat die Initiative 2010 zurückgezogen und der Kanton versprach, jährlich 15 Millionen mehr in den Finanzausgleichstopf zu bezahlen. Das war also der Anfang davon, dass die Solothurner Gemeinden mehr Macht erhalten haben im Kanton?
Definitiv. Ohne Gemeinden im Boot geht es nicht. Das haben wir damals gezeigt. Und ab dann war klar, dass man mit den Gemeinden zusammenarbeiten muss im Kanton Solothurn.