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Spezielles Inventar Unterwegs mit den Experten für schöne Dörfer und Städte

In den 1960er-Jahren wurde das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) ins Leben gerufen. 2016 wurde Zürich als der letzte Kanton inventarisiert. Jetzt beginnt alles wieder von vorne.

Auf dem Dorfplatz des Bündner Dorfs Vella stehen Inventarisator Sebastian Geisseler und sein Chef Giusto Aurora. Die beiden ISOS-Experten des Bundes sind am Morgen aus dem fernen Bern angereist.

Giusto Aurora hält ein Klemmbrett in der Hand, darauf die ISOS-Karte aus dem Jahr 1985. Die Quartiere des Dorfs sind mit fetten Linien umrandet und mit Ziffern versehen. Ziel der Re-Inventarisierung nach über 30 Jahren ist es, die ISOS-Karte samt Beschreibung auf den neusten Stand zu bringen und festzuhalten, was erhaltenswert ist.

Blick auf die ISOS-Karte, die Vella mit dicken Linien in verschiedene Quartiere unterteilt
Legende: Bei einem Rundgang überprüfen Giusto Aurora und Sebastian Geisseler die Ortsbild-Einteilungen aus dem Jahr 1985. SRF / Stefanie Hablützel

Sebastian Geisseler, in der Hand einen dicken Packen Unterlagen zu Vella, bleibt vor alten Holzställen und Wohnhäusern stehen. «Das ist ein guter Ort um zu zeigen, was die räumlichen Qualitäten dieses Ortes sind».

«Räumliche Qualitäten» – ein typischer ISOS-Begriff, um ein Ortsbild zu beschreiben. Giusto Aurora zeigt auf die kleinen Gärten und den Rasen zwischen den Häusern hier im Zentrum von Vella. Sie erzählen von der bäuerlichen Vergangenheit des Dorfs: «Es ist eine Qualität, wenn man einem Ort seine Geschichte ansieht. Und das ist hier der Fall».

Blick zwischen die Häuser in Vella. Auf dem Boden Gras statt Asphalt.
Legende: Gras statt Asphalt zwischen den Häusern. Für die Ortsbild-Fachleute typisch für ein Dorf mit bäuerlicher Vergangenheit. SRF / Stefanie Hablützel

Für die ISOS-Experten ist deshalb klar: Für den historischen Dorfkern gilt weiterhin das «Erhaltungsziel A». Die Häuser in diesem Teil des Dorfs sind laut den Fachleuten zentral für das Dorfbild und sollten von der Materialität her erhalten bleiben, auch bei einem Umbau. Als gelungenes Beispiel bezeichnen Geisseler und Aurora einen Stall im alten Dorfkern, dessen äussere hölzerne Hülle noch steht.

Grosser Holzstall im Zentrum von Vella
Legende: Auf den ersten Blick ein Stall. Doch in der Holzhülle befindet sich ein modernes Wohnhaus. SRF / Stefanie Hablützel

Der umgebaute Stall ist quasi ein Haus im Haus. «Der Umbau verleugnet die Vergangenheit des Gebäudes nicht, sondern macht sie transparent», erklärt Giusto Aurora. Wichtige Elemente des früheren Stalls wie die Rampe seien beim Umbau integriert worden.

Keine Erfolgsgeschichte

Seit 2016 ist die ganze Schweiz im ISOS-Inventar erfasst mit insgesamt 1274 Ortsbildern. Doch hat das ISOS als Instrument gebracht was man sich erhoffte, nämlich den Schutz und die Pflege von architektonisch einzigartigen Dorfbildern?

Die Geschichte des Ortsbild-Inventars

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Autobahn quer durch Roveredo
Legende: Keystone

Die Schweiz ist laut dem Bund das einzige Land weltweit, dass die schönsten Dörfer und Städte analysiert und inventarisiert. Die Idee dazu entstand in den 1960er-Jahren, als die Wirtschaft brummte, erklärt Patrick Schoeck vom Schweizer Heimatschutz. «Man kann sich heute fast nicht mehr vorstellen, wieviel damals gebaut wurde». Die Leute hätten sich gefragt, ob sie das Richtige tun würden.

Bauboom in der Nachkriegszeit

So entschied beispielsweise der Bund, die neue Autobahn A 13 mitten durch das Südbündner Dorf Roveredo zu führen und riss dadurch während Jahrzehnten ein Dorf in zwei Teile. Das sollte das ISOS künftig verhindern. Ab 1973 entwickelte der Bund das Inventar, um grosse Bauvorhaben wie Strommasten oder Autobahnen besser in die Landschaft einzupassen und nicht ganze Ortschaften in Mitleidenschaft zu ziehen.

Marcia Haldemann, Leiterin der ISOS-Abteilung beim Bund, zeichnet ein ernüchterndes Fazit: «Wenn das ISOS wirklich eine Erfolgsgeschichte wäre, würde man das in der heutigen Siedlungslandschaft erkennen. Wenn man sieht, wie die heutige Schweiz aussieht, ist es an vielen Orten nicht mehr so überzeugend punkto Qualität.»

Drei Leute stehen inmitten einer Feriensiedlung mit weissen Gebäuden.
Legende: Ist die Feriensiedlung «Sur Mulins» aus den 80er-Jahren erhaltenswert? Für die Experten braucht es weitere Abklärungen. SRF / Stefanie Hablützel

Und trotzdem, nach einem rund zweistündigen Rundgang durch Vella zieht Chef-Inventarisator Giusto Aurora ein positives Zwischenfazit: «Es ist keine Frage, dass Vella ein Ortsbild von nationaler Bedeutung bleibt». Bis 2021 sollen alle 114 Ortsbilder von Graubünden überarbeitet sein und dann geht die Arbeit weiter. Mit insgesamt 20 Jahren rechnet der Bund, bis alle Kantone ein zweites Mal re-inventarisiert worden sind.

SRF1, Rendez-vous, 12:30 Uhr / Regionaljournal Graubünden, 17:30; habs

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