«Braut gesucht» – so steht es, fett gedruckt, in einer Anzeige, welche die Liestaler Stadtverwaltung in ihrem aktuellen Amtsblatt publiziert hat. Er wisse, dass dieses Inserat auf den ersten Blick merkwürdig scheine, sagt Stadtpräsident Daniel Spinnler. Aber die Suche nach heiratswilligen Frauen habe in Liestal eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreiche und mit der Gründung der «Allemandi Stiftung» zusammenhänge.
Die Familie Allemandi hat der Stadt Liestal damals Geld vermacht, dessen Zinsen man jährlich im Stiftungssinne ausschütten soll. «Die Idee von Frau Allemandi war, dass man Frauen Geld geben soll, damit sie eine Mitgift in die Ehe einbringen können und so für den Heiratsmarkt attraktiver werden», sagt Spinnler. Explizit sollte das Geld auch Frauen zukommen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen. «Frau Allemandi dachte zum Beispiel an Frauen, die ein uneheliches Kind hatten, was zu jener Zeit sehr verpönt war.» Dank dieses Zustupfs konnten sich diese Frauen vielleicht doch noch verheiraten, hoffte Frau Allemandi.
«Wir Frauen sind noch immer am kürzeren Hebel»
Weil sich die Zeiten aber doch etwas geändert haben, sucht die Stadtverwaltung nicht mehr nur Bräute, sondern wäre auch bereit, das Geld – konkret sind es 1'000 Franken – einer Jungunternehmerin zu geben, die sich selbstständig machen will. Letztes Jahr erhielt beispielsweise Nina Hutter den Zuschlag, die in Liestal ein Yoga-Studio eröffnet hatte. Das Geld aus der Allemandi-Stiftung sei eine grosse Hilfe gewesen. «Ich habe eine Familie und das Studio nebenbei aufgebaut», sagt Hutter. «Ich musste finanziell an meine Grenzen gehen, um die Ausbildung vorzuschiessen, und am Anfang weiss man ja auch nicht, ob das Geschäft läuft. Da hat mir dieser Betrag sehr geholfen.»
Auch wenn in erster Linie Bräute gesucht werden, halte sie den Stiftungszweck nach wie vor für sehr aktuell, sagt Hutter. Heute gehe es zwar weniger darum, sich für den Heiratsmarkt in Schuss zu bringen, aber die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen sei nach wie vor ein grosses Thema. «Wenn ich ehrlich sein soll, sind wir Frauen nach wie vor am kürzeren Hebel, beispielsweise was die Altersvorsorge angeht», sagt Hutter. Und vor diesem Hintergrund leiste die Stiftung Allemandi heute noch jährlich einen ideellen, aber auch realen Zustupf an das Leben einer Frau.
Man muss vorgeschlagen werden
Bis zum 30. April kann man bei der Stadtverwaltung noch Kandidatinnen für eine Hochzeit oder Jungunternehmerinnen melden. Allerdings dürfen diese Frauen nicht selber aktiv werden, sondern müssen von jemandem vorgeschlagen werden, so lautet die testamentarische Weisung. Die Allemandi Stiftung gibt es übrigens auch in anderen Städten in der Nordwestschweiz, beispielsweise in Solothurn oder in Basel.