Fünf Ostschweizer Kantone haben die Absicht bekundet, die Frage des Spitalangebotes in der Ostschweiz gemeinsam zu planen. In zwei Jahren sollen erste Resultate vorliegen. Die Absichtserklärung von St. Gallen, Graubünden, beiden Appenzell und Glarus kommt zu einem Zeitpunkt, wo vor allem im Kanton St. Gallen Spitalschliessungen ein aktuelles Thema sind. Für den Gesundheitsökonomen Bernhard Güntert muss man künftig auf grössere Einheiten gehen.
SRF News: Wie aussergewöhnlich ist das Bekenntnis der fünf Ostschweizer Kantone?
Bernhard Güntert: Dass fünf Kantone zusammenarbeiten, ist in der Schweiz neu. Es ist aber geografisch durchaus erklärbar. Es gibt viele Überschneidungspunkte, an denen man in dieser Region zusammenarbeiten muss. Es ist ein sinnvoller Schritt.
Weshalb ist es ein Schritt in die richtige Richtung?
Kantonsgrenzen sind historisch gewachsen. Es gibt verschieden grosse Kantone. Sie haben alle den verfassungsmässigen Auftrag, die stationäre Versorgung sicher zu stellen. In den heutigen Strukturen kann ein kleiner Kanton gar nicht alles selber machen. Er braucht Kooperationen.
Heute hat man eine Tendenz, dass immer mehr ambulant gemacht wird. Dadurch braucht man kleinere Spitäler nicht mehr, und man muss auf grössere Einheiten gehen.
Die Kantone Thurgau und Zürich sind nicht dabei. Würde ein noch grösseres Konstrukt Sinn machen?
Es würde dadurch komplizierter. Was sicher sinnvoll ist, dass man in Regionen über Kooperationen nachdenkt, zum Beispiel in der Region Wil (SG) und Rickenbach (TG). Wichtig ist, dass angrenzende Gebiete miteinbezogen werden. Diese regionalen Kooperationen müssten verstärkt werden. Ob es gerade eine gemeinsame Spitalplanung braucht, ist eine andere Frage.
Man hat eine Absichtserklärung unterschrieben. Wie realistisch ist es, dass es nicht nur bei diesem Bekenntnis bleibt?
Was wirklich beabsichtigt wurde, ist mir noch nicht klar. Man hat jetzt mal gesagt, wir koordinieren die Planung. Dies wäre vom Bund schon lange gesetzlich vorgesehen. Das Vereinheitlichen der Kriterien für die Spitalliste macht sicher Sinn, auch aus Sicht der Krankenversicherer. Auch gemeinsame Spitallisten würden je nach geografischem Raum Sinn machen. Zum Beispiel im Raum Walensee oder in St. Gallen-Appenzell.
Es scheint also doch nicht ganz so einfach, weil in jedem Kanton das Parlament doch wieder alleine entscheiden muss. Wäre es sinnvoll ein Entscheidungsgremium zu haben, den Bund zum Beispiel?
Denkbar wäre es, aber man würde die kantonale Autonomie aufgeben. Die Kantone sind in der Genetik der Schweizer stark verankert. Wenn es aber gemeinsame Versorgungsregionen mit einer gemeinsamen Spitalliste gäbe, würde dies die Situation vereinfachen. Die Standorte könnten so gestrafft und das ambulante Angebot ausgebaut werden. Es bräuchte aber eine Aufnahmepflicht. Zudem müsste das Referenztarifsystem angepasst werden. Damit alle Kantone dasselbe bezahlen, wenn sich Patienten ausserkantonal behandeln lassen.
Die fünf Kantone geben sich zwei Jahre Zeit für die sogenannte Modellplanung. Reicht dies aus?
Der Bund hat jetzt die Krankenversicherungsverordnung mit dem neuen Artikel 58 in die Vernehmlassung geschickt. Darin wird von den Kantonen eine gemeinsame Versorgungsplanung und interkantonale Absprachen verlangt. Und auch diese Kriterien werden dort gefordert. Diese fünf Kantone sind hier einen Schritt voraus. Ich glaube, dass das auf Bundesebene sowieso kommt, dass sich die Kantone besser koordinieren müssen.
In Appenzell Innerrhoden soll ein neues Spital gebaut werden. Die Innerrhoder Gesundheitsdirektorin Antonia Fässler hat heute betont, man halte an diesem Spitalneubau fest. Macht das unter diesen Voraussetzungen Sinn?
Nein. Es macht meines Erachtens keinen Sinn. Ich habe die Zahlen studiert, sie sind rückläufig und werden weiterhin rückläufig sein.
Das Gespräch führte Martina Brassel.