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Ihre Fragen zu Wetterextremen «Müssen wir bereits vom Worst-Case-Szenario ausgehen?»

Expertinnen und Experten haben Ihre Fragen zu den aktuellen Wetterextremen beantwortet.

Mallorca im Schneechaos, Wintersturm in den USA oder Überschwemmungen in Südafrika und Neuseeland – diesen Winter gab es so einige Wetterextreme. Laut dem Klimawandeldienst Copernicus war der diesjährige Winter in Europa der zweitwärmste seit Messbeginn. Auch in der Schweiz war es für längere Zeit sehr trocken. Wird es in Zukunft mehr solche Wetterextreme geben? Und welche Auswirkungen hat der angekündigte Niederschlag in der Schweiz?

Expertinnen und Experten haben Ihre Fragen zu den immer häufiger auftretenden Wetterextremen wie Dürren, Hitzewellen oder Stürme im Live-Chat beantwortet. Vielen Dank für die spannenden Fragen.

Fachpersonen im Live-Chat

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Roman Brogli
Meteorologe
SRF Meteo

Prof. Dr. Bettina Schaefli
Ordentliche Professorin für Hydrologie
Universität Bern

Dr. Carlo Scapozza
Leiter der Abteilung Hydrologie
Bundesamt für Umwelt

Dr. Massimiliano Zappa
Gruppenleiter Hydrologie
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

Dr. Dominik Schumacher  Postdoc/Wissenschaftler Atmosphäre & Klima, Hitzewellen und Dürren
ETH Zürich

Chat-Protokoll

Es wurde eine Frage gestellt bezüglich Abholzung der Regenwälder. Darauf wurde nicht geantwortet. Ich bin keine Expertin, doch mit gesundem Menschenverstand verstehe ich jedes Eingreifen in das Gleichgewicht unseres Planeten, der Mutter Natur, als einen Eingriff in das grosse Ganze. Wenn doch die Regenwälder – und Wälder überhaupt – als Lunge unseres Planeten verstanden werden, wie kann dann das grossflächige Abholzen nicht auch wirklich einen wesentlichen Anteil am Klimawandel haben? Verschliesst man da nicht allzu sehr die Augen?

Dominik Schumacher: Das Abholzen von Wäldern hat historisch gesehen in der Tat einen wichtigen Anteil am Klimawandel; bis etwa zur Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden durch Rodungen sowie generell durch Landnutzungswandel mehr Kohlenstoffdioxid emittiert als durch die Nutzung von fossilen Energieträgern. Aktuell machen diese fossilen Energieträger jedoch ca. 90 % unserer Kohlenstoffdioxidemissionen aus, und stellen daher den wichtigsten direkten Treiber der globalen Erwärmung dar.

Welche Vorbereitungen wurden von der Schweizer Regierung bereits getroffen, im Hinblick auf zukünftige Dürren? Wie wahrscheinlich ist es, dass in nächster Zeit eine Dürreperiode in der Schweiz herrschen wird?

Carlo Scapozza: Die Hoheit über die Wasserressourcen ist gemäss Bundesverfassung bei den Kantonen. Angesichts der zunehmenden Trockenperioden hat der Bundesrat im Mai 2022 die zuständigen Fachstellen des Bundes (BAFU, MeteoSchweiz und swisstopo) beauftragt, bis 2025 ein nationales Früherkennungs- und Warnsystem zur Trockenheit aufzubauen. Es soll mehrere Wochen im Voraus aufzeigen, wenn sich eine kritische Situation anbahnt. So können Betroffene wie Landwirtinnen und Landwirte oder Trinkwasserversorger geeignete Massnahmen ergreifen und Schäden vermeiden. Zeitgleich hat der Bundesrat den Bericht «Wasserversorgungssicherheit und Wassermanagement» verabschiedet. Darin schlägt er verschiedene Massnahmen vor. Unter anderem empfiehlt er den Kantonen, den aktuellen Wasserverbrauch umfassender zu messen. Zu diesem Zweck hat er das Bundesamt für Umwelt (BAFU) beauftragt zu prüfen, welche Daten zur Wassernutzung mit geringem Aufwand schweizweit erhoben werden können.

Wir betreiben in Kröschenbrunnen Gemeinde Trub, oberes Emmental eine historischen Kleinkraftwerk und sind eng mit dem Wasser aus der Ilfis hier in der Voralpenzone täglich vertraut. Die höheren Temperaturen und der grössere Energiehaushalt in der Atmosphäre sind in den letzten 30 Jahren, zusammen mit den Versiegelungen von Böden, Strassen, Bauland, Flächen auch in der Landwirtschaft die Abflüsse und Abflussstärken schneller und grösser und weniger verteilt. In diesem Jahr kommt hinzu, dass die geringe Schneehöhe im Einzugsgebiet, seit 30 Jahre erstmals schon jetzt die Wassermengen mit weniger als 2 qm selbst in der besten Abflusszeit März/April auf ausserordentlichem tiefem Niveau sind. Dafür sind im Sommer die Gewitterereignisse früher und intensiver und führen zu häufigen An-Schutz Ereignissen. Wäre es nicht sinnvoll wie z.B. in Sardinen oder anderen Mittelmeer Ländern zu sehen, Rückhaltebecken und Dämme zu erreichten, damit das Wasser zurückbehalten werden kann für einen kontinuierlichen Ablauf in den Flüssen und Bächen, auch in kleineren wie die Ilfis.

Massimiliano Zappa: Guten Tag, Ich verweise auf meine Antwort auf eine ähnliche Frage im Chat. Im kurzen nochmals. Effiziente (regionale) Wasserspeicherung ist eine gute Option. Die Umsetzung solcher Projekte unter Berücksichtigung von vielzähligen Umweltaspekten und der rechtlichen Lage (zB. Landbesitz) sind nicht trivial.

Gibt es schon Prognosen, wie trocken der Sommer in der Schweiz und Europa werden wird?

Massimiliano Zappa: Guten Tag. Solche Langfristprognosen gibt es. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass solche Vorhersagen sehr beschränkt sind. Einfacher ist abzuschätzen, wie stark die Voraussetzungen für Wasserknappheit sind. Es gibt ein starker Zusammenhang zwischen Schneeressourcen im Winter und Wasserverfügbarkeit in Frühling und Sommer. Dasselbe gilt für den Wasserstand der Seen. Die Situation im Tessin in 2022 ist ein Beispiel dafür, wie Schnee- und Regenmangel im Winter zu einer starken Wasserknappheit im Sommer geführt haben.

In CH2018 wurde vorausgesagt, dass der Annual Mean (egal ob Temperaturen oder Niederschlag allgemein) ändern wird. Meine Frage ist nun, ob diese Tatsachen bereits in einige Projekte miteingeflossen sind bzw., ob die Erkenntnisse auch aktiv in Entscheidungen miteinbezogen werden oder nicht. Zweitens würde mich interessieren, ob die Erkenntnisse von CH2018 noch gültig sind, oder ob bereits einige Abweichungen erkennbar sind. Herzlichen Dank!

Carlo Scapozza: Die Erkenntnisse aus CH 2018 sind in das Projekt Hydro CH 2018 eingeflossen. https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/klimawandel-und-auswirkungen/schweizer-hydroszenarien.html Darin werden nicht nur die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die Gewässer der Schweiz beschrieben, sondern auch die Auswirkungen auf die einzelnen Sektoren wie Landwirtschaft, Wasserkraft, Naturgefahren etc. identifiziert und konkrete Massnahmen zur Anpassung an die veränderten Bedingungen vorgeschlagen. Z.B. in der Landwirtschaft laufen Pilotprojekte zur Optimierung der Bewässerung dank innovativen Technologien.

Die Idee Salzwasser aus dem Meer zu nehmen und zu Trinkwasser verarbeiten ist jedem bekannt. Wie überzeugend ist diese Idee und wie laufen die aktuellen Forschungen dazu?

Bettina Schaefli: Diese Technik ist natürlich für die Schweiz irrelevant, weltweit aber schon lokal in Gebrauch, vor allem in sehr trockenen Gebieten. Der finanzielle und energetische Aufwand ist sehr hoch, zudem hat die Entsalzung einen negativen Einfluss auf die Umwelt (durch die Rückgabe von stark salzhaltigem und verschmutztem Wasser).

Inwiefern werden die kommenden Niederschläge am Wochenende die Situation der Trockenheit in der Schweiz entschärfen?

Massimiliano Zappa: Guten Tag. Die vorausgesagten Niederschläge sind bestimmt, zumindest nördlich der Alpen ein guter Start, den kumulierten Defizit aufzuholen. Aktuell fehlen in den Alpen bereits rund 200 l/m2 Wasser. Falls am Wochenende tatsächlich 50 bis 80 l/m2 kommen, dann wäre rund ein Drittel des kumulierten Defizits weg (vorausgesetzt fällt ein Grossteil davon als Schnee. Regen würde viel zu schnell die Alpen verlassen und nur für kurze Entschärfung sorgen).

Der Mensch wird für den Klimawandel verantwortlich gemacht. Ist der Mensch auch verantwortlich für das Verschwinden der letzten Glazial, welcher ca. vor 11.000 Jahren endete? Das Klima wandelt schon immer und der Mensch hat einen so geringen Einfluss darauf.

Dominik Schumacher: Ja, das Klima weist natürliche Schwankungen auf, welche zum Beispiel mit Veränderungen der Sonneneinstrahlung, bedingt durch langperiodische Änderungen der Erdbahn sowie Neigung der Erdachse, zusammenhängen. Solche Prozesse spielen sich auf Zeitskalen von Jahrtausenden ab, doch die aktuelle Erwärmung läuft wesentlich schneller ab und kann daher nicht von natürlichen Schwankungen erklärt werden.

Guten Tag Wir hatten das Omega Hoch im Februar. 1. Wird das normal im Winter? 2. Ich finde, die Bise hat in den letzten Jahren zugenommen, als noch vor 30 Jahren. 3. Wenn das Meer (Atlantik und Mittelmeerraum) wärmer werden, was für Auswirkungen wird es mit dem Hoch, Tief und Jetstream haben? Schönen Tag

Roman Brogli: 1) Nein. Omega Wetterlangen wird es weiter geben (zu allen Jahreszeiten). Ob sich Wetterlagen mit dem Klimawandel ändern, ist noch völlig unklar. Veränderte Wetterextreme wird es auch ohne Änderungen in den Wetterlagen geben. 2) Daten zeigen, dass die Bise nicht häufiger bläst:  https://www.srf.ch/audio/wetterfrage/blaest-die-bise-heute-haeufiger-als-frueher?id=12180618  3) Schwierig zu sagen. Für den Jetstream ist der Temperaturunterschied zwischen Äquator und Pol entscheidend, da denke ich nicht, dass die genannten Ozeane einen wichtigen Einfluss haben. Im Mittelmeerraum wird laut Klimamodellen tatsächlich häufig höherer Luftdruck erwartet. Dazu steigen die Temperaturen überproportional stark. Es wird auch vermutet, dass die Ozeantemperaturen darauf einen Einfluss haben könnten, aber das ist noch Gegenstand aktueller Forschung.

Gibt es Möglichkeiten, Wasser über längere Zeiten zu speichern, um so Dürren einigermassen auszugleichen?

Massimiliano Zappa: Guten Tag. Die Speicherung von Ressourcen wie Wasser und Produkte wie Energie ist eine wesentliche Herausforderung in dem Umgang mit Dürren. Es braucht entweder viel Platz an einem Ort und effiziente Wege um das gespeicherten dort zu befördern, wo es am dringendsten benötigt wird .... oder viele lokale Speichermöglichkeiten, welche bei lokale Defizite verwendet werden dürfen. Gegenwärtig sind die Systeme und die Staumöglichkeiten so ausgelegt, dass Wasser vom Sommer in den Winter «verschoben» wird, um damit Strom zu erzeugen. Eine Verschiebung vom Winter in den Sommer, um Dürre zu lindern, ist durchaus denkbar.

Guten Tag zusammen. Wir brauchen folgende Lebensbedingungen: 1) Natürliche Produkte für die Ernährung auf Böden, wo das ohne übermässige Zufuhr von Infrastruktur möglich ist. 2) Lebenswerter Wohnraum (Dach über dem Kopf) für alle Mitbewohner eines Landes im Rahmen der Zumutbarkeit 3) Ausreichend Trinkwasser für die Bevölkerung und notwendige Einrichtungen mit entsprechender Vergabe von klarer und transparenter Priorisierung (z.B. Trinkwasser Landwirtschaft oder für jeden Haushalt versus Freizeitvergnügungen (Beschneiung)) Fragen: 1) Welches globale Gremium definiert die Prioritäten mit globaler Betrachtung? 2) Welche Massnahmen werden für die nächsten 10 Jahre unternommen, um die o.g. 3 Punkte zu berücksichtigen – mit dem Wissen, dass der globale Erwärmungseffekt in den nächsten 100 Jahren nicht mehr umkehrbar ist? 3) Welches Gremium (lokal und global) gibt transparent einen periodischen Status über die globale Sachlage zu Klima, Wetter, Erwärmung, Luft, Ozean, Polregion. Danke für die Kenntnisnahme und freundliche Grüsse

Carlo Scapozza: Die UNO. Sie hat 17 Nachhaltigkeitsziele definiert. (Sustainable Development Goals, SDGs):  https://www.eda.admin.ch/agenda2030/de/home/agenda-2030/die-17-ziele-fuer-eine-nachhaltige-entwicklung.html  Diese sollen bis 2030 global und von allen UNO-Mitgliedstaaten erreicht werden. Das heisst, dass alle Staaten gleichermassen aufgefordert sind, die drängenden Herausforderungen der Welt gemeinsam zu lösen. Die UNO prüft auch die Erreichung dieser Ziele. Weitere Institutionen auf globaler Ebene wie das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) geben regelmässig Auskunft über den Stand der wissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Erkenntnisse über den Klimawandel, seine Auswirkungen und künftigen Risiken. Auf nationaler Ebene ist es zum Beispiel das NCCS (National Center for Climate Services)  https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/klimawandel-und-auswirkungen/schweizer-hydroszenarien.html

Wie viel Einfluss hat das Abholzen der Regenwälder und die laufenden Kriege auf das Klima? Verschiebungen von Strömungen z.B. Jetstream etc. Kann es sein, dass diese Auswirkungen grösser sind als die Luftverschmutzung durch Abgase?

Bettina Schaefli: Der Klimawandel wird durch unseren Treibhausgasausstoss verursacht. Dieser hängt direkt mit geopolitischen Phänomenen zusammen, z.B. verändert sich der Konsum von fossilen Brennstoffen durch militärische Konflikte und dadurch der Treibhausgasausstoss. Auch wenn an anderen Orten auf der Welt der Treibhausgasausstoss noch stärker ist als bei uns, besteht kein Zweifel daran, dass unser europäischer Lebensstil zu einem massiven Treibhausgasausstoss führt. Dieser muss dringend reduziert werden, um den Klimawandel zu bremsen und uns vor einer übermässigen Erwärmung zu schützen.

Wir hatten die letzten Jahre meiner Meinung nach vermehrt Winterstürme, die ich von früher so nicht kenne. Allein im Februar 2021 4 grössere Stürme mit mehr Sturmholz, entwurzelten Bäumen und umgekippten Carports. Müssen wir uns in der Ostschweiz oder generell im Flachland vermehrt auf solche Stürme einstellen?

Dominik Schumacher: Beobachtungen zeigen für die Schweiz und andere Länder in West- und Zentraleuropa eher eine Abnahme von starken Winden, welche durch Winterstürme wie z.B. im Februar 2021 verursacht werden. Gemäss Klimamodellsimulationen lässt sich aktuell noch keine durch den Klimawandel – und letztlich von uns Menschen – verursachte Zunahme von Starkwinden feststellen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird allerdings eine leichte Zunahme in der Wahrscheinlichkeit von Starkwindereignissen (0–20 %) vorhergesagt, doch es ist davon auszugehen, dass die Modelle (noch) nicht alle relevanten Prozesse berücksichtigen. Insofern ist die Unsicherheit dieser Vorhersage sehr hoch.

Guten Tag Ich interessiere mich für den Seespiegel der Jura-Seen. In den letzten Jahren kam es teilweise zu grösseren Schwankungen. Das hat rund um die Seen, besonders in der Region Biel, zu Überschwemmungen geführt. Gleichzeitig könnten durch regelmässige Überflutungen Auen-Landschaften entstehen! Sehen Sie ein solches Szenario mittelfristig für das Seeland als realistisch an?

Massimiliano Zappa: Guten Tag. Die Steuerung der Jurarandseen während Hochwasser und Trockenheit ist eine sehr vielschichtige Angelegenheit. Kurzfristig wird alles dafür eingesetzt, dass entlang der Aare Hochwasserschäden minimiert werden. Das Zusammenspiel der Aare, der Saane, der Emme und der Seen ist ein sehr interessantes Beispiel überregionalen Hochwassermanagements. Was die Auen betrifft, ich bin der Meinung, dass die bestehenden Moore und Auen schützenswert sind, und natürlich als Überflutungsflächen Potenzial zur Entschärfung von Hochwassersituationen bieten.

Guten Tag, Meine Frage betrifft ein Phänomen, dass ich seit 20Jahren beobachte, also da bin ich erstmals auf Radarbilder gestossen. Wenn eine Regenfront von Frankreich her kommt, teilt sie sich meistens zwischen Annecy und Genf in zwei Teile. Ein Teil verlagert sich über den französischen Jura, der andere im Süden den Alpen entlang, somit fällt zwischen Genf , Nyon, Morges meistens wenig Regen. Oft wird auch nur die Region Nyon-Rolle «ausgespart «. Suche schon lange nach einer Antwort. Mein Nachbar, ehemaliger Fluglotse in Genf hat dieselben Beobachtungen gemacht. Vielen Dank für eventuelle Antworten.

Roman Brogli: Völlig bekannt ist mir dieses Phänomen ehrlich gesagt nicht. Aber ich denke, dass sich Ihre Beobachtung mit der Topografie erklären lässt. Wenn die Winde (und die darin eingelagerten Regenwolken) auf die Alpen treffen, fliesst die Luft nicht nur über die Alpen, sondern auch darum herum (beispielsweise Richtung Jura und Süden). Daher werden Fronten oft «zerrissen», wenn sie auf die Alpen treffen und inneralpine Gebiete sind generell niederschlagsarm.

Vor kurzem wurde mehrfach über Klima-bezogene Studien berichtet, deren Autor:Innen sich überrascht zeigten, wie rasch Veränderungen ablaufen. Diese Erkenntnisse werden aber erst in drei Jahren in IPCC-Berichte einfliessen. Müssten wir daher nicht in der Zwischenzeit vom Worst-Case-Szenario ausgehen und einige wirksame dringliche Massnahmen sofort umsetzen, um diese Entwicklung abzuschwächen?

Bettina Schaefli: Wir müssen auf jeden Fall alles daran setzen, unseren Treibhausgasausstoss zu verringern, damit der Klimawandel gebremst werden kann, je schneller, umso besser. Viele Länder haben sich konkrete Reduktionsziele gesetzt und setzen Massnahmen um. Aber auch einzelne Personen sollten mit ihrem eigenen Konsumverhalten zu einer Treibhausgasreduktion beitragen. Und wir können uns auch fragen, wie wir unseren Lebensstil in Zukunft den veränderten Bedingungen anpassen können (z.B. wie werden wir in wärmeren Städten leben, wie mit weniger Wasser?).

Guten Tag Momentan ist das Geoengieneering in aller Munde - was in Google so erklärt wird: Geoengineering – auch Klimaengineering genannt – wird als eine umfassende Zusammenstellung von Methoden und Technologien definiert, die darauf abzielen, das Klimasystem bewusst zu verändern, um Folgen des Klimawandels abzumildern. Frage: Hat dies auch mit den «Wetterkapriolen» weltweit zu tun?

Bettina Schaefli: Nein. Geoenigeering fasst Methoden zusammen, mit denen der Mensch versucht, gezielt natürliche Prozesse zu steuern, abzuschwächen oder zu verstärken. Ein Beispiel ist die Einlagerung von C02, einem wichtigen Treibhausgas, im Untergrund. Mit solchen Methoden möchte man den menschengemachten Klimawandel abschwächen. Dies ist umstritten. Zurzeit auftretende Wetterphänomene hängen nicht mit solchen Methoden zusammen, sondern mit dem jetzigen Klima – das wir ungewollt durch unseren Treibhausgasausstoss beeinflusst haben.

Der Klimawandel ist auch in der Schweiz sehr präsent. Der Winter ist sehr viel kürzer und wärmer in den letzten Jahren geworden. Auch wir werden in den nächsten Jahrzehnten grosse Probleme mit der Dürre bekommen. Meine Frage: Wie wird es mit Drittweltländern aussehen und was wird allgemein mit Ländern passieren, die jetzt schon grosse Probleme mit Wassermangel und der Dürre haben? (Beispiel: Kontinent Afrika oder Australien) Werden diese Orte unbewohnbar sein?

Massimiliano Zappa: Guten Tag, Ein Blick auf die aktuelle Weltkarte, inkl. Bevölkerungsdichte, weist schon darauf hin, unter welchen Bedingungen eine nachhaltige Gesellschaft aufrecht gehalten werden kann. Neben einer Ausweitung solcher Regionen sind auch Landverluste in den Küstengebieten sehr wahrscheinlich. Darum spricht man auch von Klimakrise.

@ Carlo Scapozza: Wie kann sich «die Landwirtschaft an die neuen Bedingungen anpassen», wenn der Nationalrat der Bauernlobby nachgibt und AP22+ ohne wesentliche Massnahmen verabschiedet? Muss uns das Wasser erst bis zum Hals stehen (giftiges Wasser, Ernteausfälle)?

Carlo Scapozza: Viele Landwirtinnen und Landwirten haben aus den Erfahrungen der letzten Dürren (2003, 2015, 2018, 2022) gelernt und sind aktiv auf der Suche nach Lösungen. An der Front laufen viele Projekte, um die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen. Dies auch im Interesse der Landwirtinnen und Landwirten, denn sie spüren auch die Auswirkungen des Klimawandels.

Werden mehr südlich lebende Tiere der Hitze wegen in den Norden ziehen?

Bettina Schaefli: Die Tierwelt wie auch die Pflanzenwelt passt sich dem Klimawandel an. Es sind nicht einzelne Tiere, die in eine besser geeignete Klimazone wandern, aber gewisse Pflanzen und Tierarten, die heute schon weiter nördlich anzutreffen sind als in der Vergangenheit oder in den Alpen in grösseren Höhen.

Guten Tag, wie kommt es, dass die Kanäle in Venedig beinahe ohne Wasser sind? Seit einigen Jahren ist der Meeresspiegel am Steigen und hat die Stadt schon teilweise unter Wasser gesetzt. Vielen Dank für Ihre Erklärung.

Bettina Schaefli: Dieses Phänomen hat mehrere Gründe; Ebbe und Flut führen regelmässig zu tiefen Wasserständen in der Lagune von Venedig. Zurzeit herrschen spezielle Bedingungen, die den Meeresspiegel tief halten (ich bin selbst keine Spezialistin in diesem Bereich) und zugleich fliesst wegen der aktuellen Trockenheit in Norditalien extrem wenig Wasser aus den Flüssen in die Lagune.

Das globale Klima verändert sich stetig, das beschäftigt mich immer wieder sehr. Die Trockenheit hat sich seit dem Jahresbeginn über dem europäischen Kontinent festgesetzt. Ist das nun die Folge des Klimawandels oder male ich da zu schwarz? Hat der Salzgehalt der Meere, das Abschmelzen der Polkappen unmittelbar einen Einfluss aufs Klima bei uns und die Meeresströmungen, die sonst positiv das Klima in Europa beeinflussen? – Ist nun die lange Trockenheit eine Folge davon und gibt es Prognosen, ob der jahreszeitlich bedingte Sonnenstand die trockene Phase positiv beeinflussen kann und Regenwetter bringt ?

Dominik Schumacher: Grüezi, danke für die Frage! In der Schweiz erwarten wir im Winter tendenziell mehr Niederschlag, und in den letzten 100 Jahren hat der Niederschlag gemäss Beobachtungsdaten um ca. 20% zugenommen. Insofern sollte der aktuelle Niederschlagsmangel, welcher sich primär auf den Februar beschränkt, als natürliche Schwankung interpretiert werden, da langfristig gesehen eher mehr Niederschlag (welcher vermehrt aus Regen, und immer weniger aus Schnee besteht) im Winter fallen wird, auch gemäss Untersuchungen mit Klimamodellen. Zum Salzgehalt: Im Nordatlantik wird Tiefenwasser gebildet (ca. 15-mal so viel wie alle Flüsse der Welt führen!), da sich das Wasser auf dem Weg dorthin stark abkühlt und kaltes Wasser eine höhere Dichte als warmes Wasser hat. Dies führt zu einer Art Sogwirkung und treibt dadurch den Golfstrom an, welcher eine wichtige Rolle für das vergleichsweise milde Klima in Europa spielt. Der Salzgehalt spielt dabei auch eine wichtige Rolle, und könnte künftig durch Schmelzwasser verringert werden, was die Dichte des Wassers senkt und dadurch die Tiefenwasserbildung erschwert. Untersuchungen mit Klimamodellen zeigen, dass wir in Zukunft eine Abnahme der Tiefenwasserbildung erwarten, was wiederum den Golfstrom schwächt. Aktuell zeichnen sich keine klaren Trends in der Tiefenwasserbildung ab. Auch wenn sich der Golfstrom abschwächen sollte, sagen Klimamodelle voraus, dass die von Treibhausgasen angefachte Erwärmung überwiegen wird. Zur Frage bezüglich Prognosen: Saisonale Wettervorhersagen sind mit sehr grosser Unsicherheit behaftet, zeigen aber für die kommenden Monate eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für überdurchschnittlich warmes Wetter (Quelle: MeteoSchweiz). Isoliert betrachtet könnte dies die Trockenheit der Böden intensivieren, da wärmere Luft in der Schweiz generell höhere Verdunstungsraten ermöglicht. Für den April wird erwartet, dass der Niederschlag leicht überdurchschnittlich ausfällt, für die Monate danach lässt sich überhaupt keine Aussage machen. Aus meiner Sicht ist es also nicht möglich, eine zuverlässige Prognose abzugeben, ob sich die Trockenheit in den nächsten Monaten noch verschlimmert, oder ob die Wasserdefizite ausgeglichen werden.

Wie war das Wetter z.B vor 150-200 Jahren gab es da nicht auch schon Wetterextremen?

Roman Brogli: Doch, die gab es schon immer. Ein Wetterextrem ist nichts anderes als ein aussergewöhnliches Ereignis, welches selten vorkommt. Bei den Temperaturen also beispielsweise deutlich höhere oder tiefere Temperaturen als im Durchschnitt. Mit einer Veränderung des durchschnittlichen Wetters (dem Klima) ändern sich allerdings auch die Extreme. Diese Extreme können dann in Bereiche vorstossen die im früheren Klima/Wetter fast unmöglich waren. Es kann also z.B. plötzlich mehr Regen geben als noch bei der Planung der Kanalisation denkbar war und daher die Infrastruktur überfordern. Schön sieht man dies übrigens bei den Sommertemperaturen in der Schweiz. Was da früher extrem war, ist heute normal. Eine Grafik dazu finden sie hier:  https://www.srf.ch/meteo/meteo-stories/sommer-2022-wie-viel-klimawandel-steckte-im-sommer

Das Wasserschloss Schweiz leidet unter dem fehlenden Niederschlag im Winter, da die Gletscher noch schneller schwinden als sonst schon. Sind Wasserstauwerke eine sinnvolle Methode, um das Wasser im Alpenraum zu behalten oder ist dieser Faktor irrelevant klein? Und wenn ja, bräuchte es in der Schweiz eine Ausbau-Förderung bzw. neue Speicherkraftwerke?

Carlo Scapozza: Die Idee tönt im Grundsatz interessant. Allerdings sind Wasserstauwerke zum grössten Teil nicht dort, wo das Wasser insbesondere für die Landwirtschaft gebraucht wird. Auf Stufe von einzelnen Regionen können sogenannten Mehrzweckspeicher interessant sein und müssen im Einzelfall geprüft werden.

Guten Tag Die Tendenz aller bevorstehender klimatischer Veränderungen ist vermutlich teilweise abschätzbar. Wie ist es aber möglich, bei diesem chaotischen Wettersystem präzisere Voraussagen, Jahre vorauszumachen...? Wie schwierig dies ist, zeigt sich ja schon bei den Wettervoraussagen über mehrere Tage.

Massimiliano Zappa: Guten Tag. Sie sind mit ihrer Aussage korrekt. Tendenzen kann man für bestimmte Klimaelemente und hydrologische Grössen abschätzen. Es gibt einige Grössen, welche so weit zusammenhängen, dass aus einer Messung, eine langfristige Vorhersage möglich ist. Zum Beispiel bei dem aktuellen akuten Schneedefizit in den Alpen, kann man bereits abschätzen, dass in zwei Monate Schmelzwasser in den Seen fehlen dürfte.

Wenn die Trockenheit hier im Tessin so weiter geht was sind die schlimmsten Konsequenzen und was können wir als Bewohner des Tessins tun um die Situation evtl. zu verbessern.

Massimiliano Zappa: Buongiorno! Im Sommer 2022 hat das Tessin bereits einen sehr trockenen Sommer erlebt. Regional ist dabei die Wasserverfügbarkeit deutlich niedriger als der (z.T. deutlich gestiegene) Bedarf gewesen. Als Bewohner sollte man sich bereits jetzt Gedanken machen, wie man dazu beitragen kann, Wasser zu sparen, wenn die Behörden sich dafür entscheiden, Massnahmen zu verordnen. Wichtig ist zu, dass die Bewohner von Airolo nicht dazu beitragen können, Wasserknappheit in Mendrisio zu entschärfen. Umso wichtiger, dass die Gemeinde frühzeitig Massnahmen in ihrem Hoheitsgebiet einleiten.

Müssen wir in näherer, mittelfristiger Zukunft mit Ernährungsengpässen rechnen? Auswirkungen von Dürren, Überschwemmungen.

Carlo Scapozza: In der Zukunft ist mit häufigeren Trockenheitsperioden im Sommer und eine Zunahme von Extremereignissen zu rechnen. In vielen Regionen der Welt, wie auch in der Schweiz, muss sich deshalb die Landwirtschaft an die neuen Bedingungen anpassen. z.B. indem sie Sorten anbaut, die weniger Wasser brauchen, oder die Bewässerung durch smarte Technologien optimiert.

Ist es richtig, dass je trockener die Böden im Frühjahr sind, umso schneller und stärker die Sonne dann die Böden aufheizen kann, weil zu wenig Wasser vorhanden ist, das durch seine Verdampfungsenthalpie Wärmeenergie «schlucken» kann. Dies könnte ein positiver Rückkopplungseffekt sein, da die höhere Bodentemperatur zu noch mehr Verdunstung führen könnte. Stimmt das?

Massimiliano Zappa: Guten Tag, Ihre Aussage ist korrekt. Deswegen sollte man versuchen, das Wasser in den Städten zu speichern (Stichwort «Schwammstadt»), um die Wärme durch Verdunstung und nicht als Bodenhitze aufzubrauchen. Grüne Dächer sind ein Beitrag dazu.

SRF Meteo, 08.03.2023, 19:55 Uhr ; 

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