«Österreicher Loch», «Minschkante», «Kernen-S»: Dass Stürze zum Ski-Weltcup gehören, erkennt man an den Namen der Schlüsselpassagen des Lauberhornrennens. Sie sind den Ski-Cracks gewidmet, die dort legendäre Bruchlandungen hinlegten.
Manche Abflüge haben sich tief in die Geschichte des Sports eingegraben. So etwa der Jahrhundertsturz von Hermann Maier an den Olympischen Spielen 1998 in Nagano.
Der Österreicher flog buchstäblich von der Piste und blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Wenige Tage später holte er Gold im Super-G und zementierte damit seinen Heldenstatus.
Tragödien am Berg
Wenn die Athletinnen und Athleten die Grenzen der Physik ausloten, ist das Teil der Faszination des Sports. Überschreiten sie sie, kann es tragisch enden. Horrorstürze beendeten die Karrieren der Schweizer Skistars Daniel Albrecht (2009) und Silvano Beltrametti (2001). Beltrametti blieb für immer gelähmt.
Das «Höher-Schneller-Weiter» gehört zur DNA des Skirennsports. In jüngster Zeit häufen sich allerdings die Stimmen, die finden: Genug ist genug. Schon den gesamten Weltcupwinter wird über die Sicherheit in den Speed-Disziplinen debattiert. Schwere Verletzungen haben die Diskussion angefacht – die Weltelite ist zunehmend ausgedünnt.
Am Freitag stürzten sich die Athleten die legendäre Streif in Kitzbühel herunter – im Super-G, wo es kurvenreicher und langsamer zugeht als in der Abfahrt vom heute Samstag.
Trotzdem gab es etliche Unfälle, der Franzose Alexis Pinturault und sein Teamkollege Florian Loriot mussten mit Rettungshelikopter abtransportiert werden.
SRF-Experte Marc Berthod sagt: «Es scheint, dass wir eine Grenze erreicht haben, an der wir intervenieren müssen. Dieses Ausmass an verletzten Athleten tut dem Sport nicht mehr gut.» Was tun? Die naheliegendste Lösung lautet: Das Tempo herausnehmen.
«Man sollte den Rennfahrer gar nicht mehr ins Dilemma bringen, Material zu nutzen, das vielleicht im Windkanal ein My schneller ist», sagt Berthod. Wenn es klarere Vorgaben gebe, könne man das Wettrüsten beim Material entschärfen – und im Zweifelsfall die sicherere Variante wählen.
Die Athletinnen und Athleten vor sich selbst schützen, ist das eine. Das Spektakel und der Kampf um jede Millisekunde ziehen aber auch das Publikum an. «Letzten Endes braucht es einen Gegenpol, der hin steht und sich vehement für die Sicherheit einsetzt», sagt Berthod. «Dieser Part ist in der Vergangenheit zu kurz gekommen.»
Maximal ausgereizt
Auch Urs Näpflin, OK-Chef des Lauberhornrennens, sagt: «In den Speed-Disziplinen hat es in diesem Jahr eine Häufung an Verletzungen gegeben, nach denen wir nicht zur Tagesordnung übergehen können.» Er drückt es drastisch aus: «Die Fahrer haben nicht mehr Skis, sondern Waffen an den Füssen. Alles ist aufs Maximum ausgereizt und lässt Null Fehler zu.»
Die Athleten sind vorbereitet auf die Risiken, dafür trainieren sie. Es ist ihr Beruf.
Der kleinste Verschneider könne inzwischen fatale Folgen haben: «Der Ski gräbt sich in den Schnee und es kommt zu heftigen Stürzen.» Es müsse nun analysiert werden, wie man das Material entschärfen könne. Zudem müssten Airbags, Protektoren und schnittfeste Unterwäsche endlich obligatorisch werden.
Der Skisport sei gefährlich, schliesst Näpflin. Zu gefährlich sei er aber nicht. «Die Athleten sind vorbereitet auf die Risiken, dafür trainieren sie. Es ist ihr Beruf. Sie entscheiden, an welchen Passagen sie welches Risiko nehmen und dosieren es entsprechend ihrem Können.»