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Therapieren im Strafvollzug Hugo Portmanns Kampf gegen den Justizvollzug

Der ehemalige Bankräuber Hugo Portmann ist bald ein freier Mann. Nun schiesst er gegen die Psychiatrie im Justizvollzug.

Bis vor Kurzem verbüsste der ehemalige Bankräuber Hugo Portmann im geschlossenen Vollzug der Strafanstalt Pöschwies seine Haftstrafe, jetzt ist er im offenen Vollzug, im Juli wird er aus dem Gefängnis entlassen. 35 Jahre hat er insgesamt hinter Mauern gesessen, überdurchschnittlich lang für einen Häftling in der Schweiz. Ohne positives Gutachten wäre er immer hinter Mauern geblieben.

Der Grund für die vielen Gefängnisjahre sind seine Taten – darunter auch Schiessereien mit der Polizei und Geiselnahmen – und seine wiederholten Ausbrüche aus dem Gefängnis. Diese führten immer wieder zu neuen Verurteilungen, einmal 12 Jahre, dann 9, dann 5, dann wieder 9 Jahre. Dreimal waren diese Urteile verbunden mit einer Verwahrung auf unbestimmte Zeit.

Portmanns Leben

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Hugo Portmann wird im November 1959 geboren. Seine Kindheit verbringt er in Heimen und Pflegefamilien. Die Erzieher bezeichnen ihn als «ungehorsam, eigenwillig, zerstörerisch». Seine erste Tat: Mit dem Gabelstapler holt er den Tresor aus dem Büro seines damaligen Arbeitgebers. Dort liegt sein Geld drin. Im Wald knackt er den Tresor, nimmt allerdings nur sein Geld heraus. Um sich anschliessend zu verstecken, geht er zur französischen Fremdenlegion in den Tschad. Dort lernt er den Umgang mit der Waffe. Zurück in der Schweiz, sucht er zuerst einen Job – und findet nichts. 1983 überfällt er die erste Bank. Es folgen weitere Überfälle. Er schiesst auf Polizisten, nimmt Geiseln. Immer wieder landet er hinter Gittern. Die Richter sprechen dreimal zusätzlich zu einer Strafe eine Verwahrung aus.

Täter hinter Gittern dürfen auf eine – unter Umständen vorzeitige – Entlassung hoffen, selbst Verwahrte. Voraussetzungen dafür sind eine gute Führung im Gefängnis, sowie im Fall Portmann – ein positives Gutachten. Bei Verwahrten muss eine solche Begutachtung alle paar Jahre angeordnet werden. So will es das Gesetz.

Unterschiedliche Handhabung

Die Kantone handhaben diese Praxis allerdings unterschiedlich. Es gibt Behörden, die ein Gutachten niederschwellig anordnen und solche, die von sich aus befinden, beim Täter habe sich nichts geändert, weshalb man dann auch kein Gutachten benötige.

«So eine Verfügung ist rekursfähig, nur wissen das viele Täter nicht. Ausserdem fehlen den meisten die Mittel und die Kompetenzen, die Verfügung anzufechten», sagt Marc Graf, Klinikdirektor Forensisch-Psychiatrische Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.

Gesunde therapieren?

Hugo Portmann greift nun die Zürcher Justizvollzugsbehörden an. Sein Vorwurf: Hätte er sich therapieren lassen, wäre er früher wieder aus dem Gefängnis entlassen worden. «Vor fünf Jahren hatte man mir gedroht, wenn ich nicht freiwillig zur Therapie einwillige, dann sei meine Strafe endlos. Ich habe das schriftlich.» Hugo Portmann sagt von sich, er sei gesund, er habe daher keine Therapie nötig. Dies besagen auch mehrere Gutachten über ihn.

Der Zürcher Justizvollzug wollte sich nicht zu den Vorwürfen von Hugo Portmann äussern. Dafür nahm Marc Graf Stellung. Er hat jenes Gutachten geschrieben, das zu Portmanns Freilassung geführt hat. Graf wurde für diesen Artikel vom Gericht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden.

Gesunde Täter können also, ohne die so genannte deliktorientierte Therapie, nicht auf eine frühzeitige Entlassung aus dem Gefängnis hoffen? Dem widerspricht der forensische Psychiater Graf. «Das stimmt so nicht. Ich kenne das anders aus der Praxis. Es gibt durchaus Täter, die ohne Behandlung frühzeitig entlassen werden.»

Ich lasse mir nicht in den Kopf schauen, mich manipulieren.
Autor: Hugo Portmann ehemaliger Bankräuber

Bleibt der Vorwurf von Hugo Portmann, eine Therapie könne Gesunden nicht aufgezwungen werden, es dürfe damit nicht gedroht werden. «Ich lasse mir nicht in den Kopf schauen und mich manipulieren.»

Und Portmanns Anwalt, Bruno Steiner, sagt: «Grundsätzlich hat das Gericht eine Therapie oder eben eine Sonderbehandlung anzuordnen. Es kann nicht Sache des Strafvollzuges sein, richterliche Urteile nachzubessern.»

Ein Gericht muss entscheiden

«Eine Therapie ist ein Eingriff bei einem Menschen, der sensibel zu behandeln ist. Deshalb muss eine Therapie zwingend von einem Gericht angeordnet werden», so der forensische Psychiater Graf. Es gehe nicht ohne eine sorgfältige richterliche Güterabwägung.

«Entscheidend für die Gesellschaft ist die Frage: Ist der Täter weiterhin gefährlich? Ohne eine durchgeführte Therapie erhalten Gutachter oft kaum Informationen über das Innenleben der Täter und eine allfällige positive oder negative Entwicklung im Strafvollzug. Die gutachterliche Risikobeurteilung ist dann oft deutlich unklarer als wenn eine Therapie stattgefunden hat.» Eine Therapie könne deshalb durchaus auch bei einem Gesunden Sinn machen.

Marc Grafs Prognose für Portmann fiel deshalb so positiv aus, weil «Herr Portmann deutlich gealtert und in seiner Persönlichkeit gereift ist und er weiss, was es heisst hinter Gittern zu sitzen. Er weiss, dass dies für ihn die letzte Chance ist.»

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