Martin Benz, Bürgermeister im baden-württembergischen Hohentengen, ist alarmiert. In nur 700 Metern Luftlinie soll auf Zürcher Boden ein Umladelager für radioaktive Abfälle entstehen. Die Menschen im Dorf seien kritisch und beunruhigt. «Es wäre in Deutschland undenkbar, in einer solchen Entfernung nur schon eine Windkraftanlage aufzustellen. Das Lager liegt näher bei uns als zu jeder anderen Schweizer Gemeinde».
Argumente gegen Emotionen
Benz und seine Mitbürger fühlen sich von den schweizerischen Behörden zu wenig ernst genommen. Die Thematik der atomaren Tiefenlager in der Schweiz provoziere Ängste und sei emotional so stark besetzt, dass Argumente wenig nützten, so Benz.
Hohentengen ist Mitglied der binationalen Regionalkonferenz Nördlich Lägern, die vom Bülacher SP-Stadtrat Hanspeter Lienhart präsidiert wird. Sie zählt 120 Sitze, wovon aber derzeit nur 18 von deutschen Kommunen besetzt sind. Lienhart kennt die Gemütslage jenseits des Rheins bestens. «Wir müssen die Befürchtungen ernst nehmen und ihnen glaubwürdig entgegentreten. Wir müssen uns auf Augenhöhe begegnen».
Kaum Opposition im Kanton Zürich
Ernst Gassmann, freisinniger Gemeindepräsident von Glattfelden, bestätigt, dass sich auf Schweizer Seite derzeit kaum Opposition regt gegen atomare Tiefenlager. Dies hänge mit den diversen Podien und Veranstaltungen rund um die Pläne des Bundes bis 2030 zusammen. «Je besser man informiert ist, desto unkritischer steht man den Projekten gegenüber». Womöglich, so doppelt Stefan Arnold, Gemeindepräsident von Weiach ZH nach, seien die Menschen hierzulande der Diskussion etwas überdrüssig und der Zeithorizont noch kaum greifbar.
Wie unterschiedlich das Informationsbedürfnis beidseits der Grenze ist, zeigt der Publikumsaufmarsch. Zum Thema «Atomabfall» versammelten sich im deutschen Waldshut kürzlich 230 Personen, in Hohentengen fast 300, während es in Bülach ZH gerade noch etwa 140 Interessierte waren.