Eigentlich müsste sich die FDP freuen über das Resultat dieser Abstimmung: Die Stadt Aarau erhält als erste Gemeinde weit und breit eine Schuldenbremse. Das Stimmvolk hat sich mit 3177 gegen 2903 Stimmen dafür entschieden, obwohl praktisch alle Parteien und auch der Stadtrat gegen die Vorlage waren.
In der Gemeindeordnung steht nun also geschrieben, dass die Stadt vorsichtig mit ihrem Geld umgehen müsse. Doch die Freude von Yannick Berner hält sich nach der Abstimmung in Grenzen. «Das ist keine wirkliche Schuldenbremse», sagt der FDP-Fraktionspräsident gegenüber SRF.
Eine turbulente Vorgeschichte
Seine Partei hatte per Initiative eine Schuldenbremse verlangt, der Stadtrat hatte einen Gesetzestext und ein Reglement dazu erarbeitet, doch das Stadtparlament mit seiner hauchdünnen Mehrheit von Mitte- und Linksparteien hatte das Reglement abgelehnt und den Gesetzestext entschärft. So gibt es zum Beispiel keine Vorgabe mehr, wonach die Stadt einen tiefen Steuerfuss haben müsse.
Diese «Schuldenbremse light» ist nun also beschlossen. Die Entscheidung ist gefallen, man könnte die Geschichte hier für beendet erklären. Doch der Streit geht weiter.
Streitpunkt 1: Was hat das Volk entschieden?
«Man will eine Schuldenbremse», glaubt Yannick Berner. Die Aarauerinnen und Aarauer hätten nicht gemerkt, dass die Vorlage viel zu zahnlos sei. «Man hat über das Wort Schuldenbremse abgestimmt und findet das eine gute Sache», glaubt der FDP-Mann.
Alexander Umbricht von der GLP hingegen sagt: «Offensichtlich hat die Stadtbevölkerung sich für diese Schuldenbremse entschieden. Ob eine andere, strengere Schuldenbremse angenommen worden wäre, das wissen wir einfach nicht.»
Streitpunkt 2: Ist die Initiative erfüllt?
Für Umbricht ist klar, dass auch die nun gültige Schuldenbremse durchaus Wirkung habe. Vor allem aber sei mit dieser Abstimmung nun die Forderung aus der FDP-Initiative nach einer Schuldenbremse erfüllt. Auch wenn die FDP mit dem Resultat nicht wirklich zufrieden sei.
Yannick Berner aber gibt nicht auf. Seine Partei habe mehrere Stimmrechtsbeschwerden eingereicht. Falls diese nicht durchkämen, werde man eine weitere Initiative lancieren - für eine «echte» Schuldenbremse, mit einem ganz konkreten Gesetzestext.
Streitpunkt 3: Was steht im Reglement?
Das Stimmvolk hat nur über die Änderung der Gemeindeordnung abgestimmt. Der Stadtrat muss nun dazu ein detailliertes Reglement ausarbeiten.
Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker (FDP) deutet gegenüber SRF an, dass der Stadtrat eine strengere Regelung im Detail wünscht: «Wir müssen uns überlegen, welche Schuldenbremse wir wollen.» Es brauche eine Regelung, dass die Politik das städtische Vermögen nicht «verbrennen» könne.
Yannick Berner von der FDP hofft darauf, dass der Stadtrat eine strenge Regelung bringt, glaubt aber nicht an deren Erfolg. «Es wird in diesem Parlament nie möglich sein, dass wir eine Schuldenbremse erhalten, die unserer Initiative entspricht.»
Es bleibt spannend...
Auch Alexander Umbricht wartet gespannt auf das stadträtliche Reglement. Seine Partei und er bleiben gegenüber der Schuldenbremse skeptisch. «Allenfalls müssen wir das Reglement im Einwohnerrat noch ändern», droht Umbricht bereits.
Die Fronten bleiben also auch nach dieser Abstimmung bestehen: Die bürgerliche Seite will eine strenge Schuldenbremse, die Mehrheit im Parlament lehnt dies ab. Der Volksentscheid vom Sonntag ist höchstens eine Zwischen-Episode.
Oder wie es Alexander Umbricht formuliert: «Die Schuldenbremse wird uns sicherlich noch eins, zwei, dreiJahre lang beschäftigen.»