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Uhrenland Schweiz Mini-Atomuhr: Vom Zeitmesser zum Hirnscanner

Forschende aus der EU und der Schweiz entwickelten eine Mini-Atomuhr. Wie dabei aus einer Schwäche eine Stärke wurde.

Die besten Uhren kommen seit vielen Jahren aus der Westschweiz. 1997 wurde am Observatorium Neuenburg eine Atomuhr konstruiert, die in 30 Millionen Jahren gerade mal eine Sekunde verliert.

Das Labor auf einem Chip

Vor einem Vierteljahrhundert brauchte es dazu ein ganzes Physiklabor: Linsen, Spiegel, eine Heizung, eine Glaszelle und ein Laser verteilt auf zwei Tischen. In einem ersten Schritt wurde diese Anordnung so weit geschrumpft, dass sie in einem GPS-Satelliten Platz fand, denn: Für Navigationsgeräte auf der Erde braucht es präzise Uhren am Himmel.

Doch es geht noch kleiner. 14 europäische Universitäten und Unternehmen haben im Rahmen eines EU-Projektes gemeinsam eine Atomuhr auf einem Chip entwickelt.

Das CSEM – Eine Schweizer Erfolgsgeschichte, die niemand kennt

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Seit rund 200 Jahren ist Neuenburg ein Zentrum der präzisen Zeitmessung und der Uhrenindustrie. Neben der Atomuhr wurde hier in den 1960er-Jahren auch die erste Quarz-Armbanduhr entwickelt.

Die Schweizer Industrie unterschätzte jedoch die eigene Erfindung und überliess den Markt japanischen Unternehmen. Die Folgen waren dramatisch: Der Umsatz brach ein, eine Fabrik nach der anderen musste schliessen.

Um in Zukunft ein ähnliches Debakel zu verhindern, wurde einem Unternehmensberater der Auftrag erteilt, ein Konzept zu erarbeiten. Die Lösung: Eine Non-Profit-Organisation, die für den Know-How-Transfer zwischen Wissenschaft und Industrie zuständig ist.

Der Name dieser Organisation: Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) . Der Name des Unternehmensberaters: Nicolas Hayek.

Heute arbeiten am CSEM mehr als 500 Leute an neuen Technologien, die auch unseren Alltag bestimmen: Die erste optische Maus wurde am CSEM erfunden, ebenso wie die optische Pulsmessung. Sie tüfteln aber auch an Lösungen für die NASA oder die Industrie.

Und eben stellten die Forschenden einen neuen Photo-Voltaik Weltrekord auf – eine einmalige Erfolgsgeschichte.

Projektleiter Jacques Haesler vom Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) in Neuenburg zeigt das Resultat: ein Plättchen, mit rund vier Quadratzentimeter etwas grösser als ein Daumennagel, und etwa 5 Millimeter hoch. Dieser Chip sei etwas ganz anderes als die Chips in unseren Handys, so der Wissenschaftler: «Das ist ein ganzes Physiklabor auf einem Chip.»

Günstige Backup-Lösung

Die Mini-Atomuhr läuft nicht so präzise wie die grossen Vorfahren: Bereits nach 3'000 Jahren weicht sie um eine Sekunde ab. Für einen GPS-Satelliten ist das zu wenig genau.

Der neue Chip ist aber interessant für andere Branchen, die auf präzise Zeitmessung angewiesen sind – für die Betreiber von Mobilfunkanlagen oder von Stromnetzen, zum Beispiel. Sie beziehen präzise Zeitangaben aus dem Funksignal der GPS-Satelliten und profitieren so von deren teuren Atomuhren. Die Chip-Uhr könnte schon bald helfen, den Ausfall eines Satelliten zu überbrücken – als günstige Backup-Lösung.

Die Mini-Atomuhren können aber noch ganz andere Aufgaben übernehmen. In Zukunft kann man mit ihrer Hilfe das menschliche Hirn beobachten.

Von der Uhr zum Tomografen

Atomuhren reagieren sehr sensibel auf Umwelteinflüsse – Temperatur, Druck oder Magnetfelder bringen sie aus dem Takt. Die Forschenden suchten deshalb lange nach Möglichkeiten, wie sie ihre Uhr abschirmen können.

Diese Herausforderung brachte sie auf eine Idee: Wenn man ein Magnetfeld zulässt und den daraus resultierenden Einfluss auf den Zeitverlauf berechnet, dann wird aus einer Atomuhr ein sensibler Sensor, mit dem sich kleinste Magnetfelder messen lassen. So wurde aus einem Fehler ein Feature mit grossem Potenzial.

Die Mini-Atomuhren-Sensoren könnten in Zukunft die grossen Tomografen ersetzen, mit deren Hilfe man ins Gehirn schauen kann. Statt in die laute, enge Röhre müsste man sich bloss noch einen Helm überziehen, auf dessen Oberfläche die Sensoren angebracht sind. An weiteren Messgeräten wird gearbeitet.

Radio SRF3, 27.10.2022, 15:40 Uhr

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