Die evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt wird derzeit ziemlich durchgeschüttelt. Und zwar von einer Geschichte, welche die Zeitung «Schweiz am Wochenende» vor rund einem Monat publizierte. Die Kirche habe eine Frau in den Kirchenrat gewählt, welche rechtsradikales Gedankengut hege, schrieb die Zeitung. Seit der Publikation dieses Artikels, dreht sich die Geschichte immer weiter, die angeschossene Pfarrerin versuchte sich in einem Interview zu verteidigen, diverse Kirchenmitglieder haben sich sowohl positiv wie negativ zur Pfarrerin geäussert.
«Die aktuelle Situation ist sehr unangenehm», sagt Lukas Kundert, Präsident des Kirchenrats der evangelisch-reformierten Kirche, welcher sich am Donnerstag gegenüber dem «Regionaljournal» von Radio SRF erstmals zu dieser Affäre äusserte. «Es ist eine meiner Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich die Kirche nicht spaltet. Diese Geschichte hat aber das Potenzial dazu.» Innerhalb der Kirche hätten sich bereits zwei Lager gebildet. Eine Gruppe, die es unmöglich findet, dass eine Frau mit einem derartigen Hintergrund in Basel zur Kirchenrätin gewählt wurde und eine andere Gruppe, die dieser Frau eine zweite Chance geben will.
Hetzschriften auf rechtsradikalem Blog
Zur Vorgeschichte: Die betroffene Pfarrerin schrieb bis vor rund acht Jahren Beiträge auf einem Internet-Portal, auf welchem sich vor allem Rechtsextreme tummeln. Auch die Artikel der Frau sprachen teilweise eine eindeutige Sprache, waren islamkritisch bis islamfeindlich.
Zu der Zeit, in welcher sie diese Beiträge publizierte, arbeitete die Frau als Pfarrerin im Kanton Bern. Die Kirche wie auch der Kanton eröffneten eine Untersuchung, stellten die Verfahren indes ein, weil sich der Verdacht, die Frau könnte sich mit ihren Äusserungen strafbar gemacht haben, nicht erhärtete. Die Berner Kirche nahm die Frau gleichwohl ins Gebet und untersagte ihr 2012, weiter für dieses Internet-Portal zu schreiben, woran sie sich gehalten habe.
Wahlgremium wusste über Vergangenheit Bescheid
Seit vier Jahren arbeitet die Frau nun als Pfarrerin im Kleinbasel. Kundert sagt: «Mir ist in diesen vier Jahren keine Klage zu Ohren gekommen, dass sie rechtsradikales Gedankengut verbreitet hätte.» Als die Frau nun vor zwei Monaten in den Kirchenrat gewählt wurde, nahm die «Schweiz am Wochenende» dies gleichwohl zum Anlass, die Vergangenheit der Frau - ihre Verbindungen ins rechtsextreme Milieu wurden bereits in früheren Jahren von mehreren Medien thematisiert - nochmals aufzugreifen. Im Gegensatz zu Kundert suggerierte die Zeitung, die Frau habe sich nie von ihrem Gedankengut gelöst und in ihren Predigten fände man noch heute Verallgemeinerungen, die den Islam betreffen.
Dass die Frau in den Kirchenrat gewählt wurde, also in das oberste Leitungsorgan der Kirche, das liege in der Verantwortung des Kirchenparlaments, der sogenannten Synode, sagt Kundert. «So weit ich weiss, wusste die Wahlvorbereitungskommission der Synode Bescheid über die Hintergründe der Frau und das Verfahren, das in der Berner Kirche lief», sagt Kundert. «Ich gehe davon aus, dass die Mitglieder der Synode einen Strich unter diese Geschichte ziehen wollten und der Frau zutrauen, dass sie von diesem Umfeld abgekehrt ist.»
Gewählt ist gewählt
Wie es in dieser Affäre weitergeht, ist offen. Klar ist, dass die Frau für vier Jahre in den Kirchenrat gewählt wurde - und auch wenn die Mitglieder der Synode ihre Meinung ändern würden, ist eine Abwahl in den Reglementen nicht vorgesehen. Die Einzige, die an der aktuellen Situation etwas ändern könnte, ist die angesprochene Frau selber. «Sie muss sich Gedanken machen, ob es ihr möglich ist, als Kirchenrätin zu amtieren, wenn Teile der Kirchenmitglieder Vorbehalte ihr gegenüber haben», sagt Kundert. Er selber stehe im persönlichen Gespräch mit der Frau, diese Gespräche würden allerdings unter vier Augen geführt.
Gegenüber dem Regionaljournal sagte die kritisierte Pfarrerin am Donnerstag, dass ein Rücktritt für sie aktuell kein Thema sei.
(SRF 1, Regionaljournal Basel, 17:30 Uhr)