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Untersuchungshaft für Frauen Mehr Freiheit hinter Gittern

Wiederholt hat die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter die Bedingungen in der Zürcher Untersuchungshaft kritisiert. Gerade die Situation von weiblichen Inhaftierten sei nicht zulässig. Sie hätten zu wenig sozialen Kontakt, seien zu oft in der Zelle eingesperrt.

Das Frauengefängnis Dielsdorf

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Das Gefängnis ist speziell für die Bedürfnisse von Frauen gebaut. Es bietet Platz für 55 Insassinnen. Die meisten davon für Frauen in Untersuchungshaft.

In einem Trakt können Inhaftierte mit Neugeborenen oder Kleinkindern bis 18 Monate untergebracht werden.

Auf letzten Herbst hat die Justizdirektion reagiert und die Haftbedingungen gelockert. Die grösste Veränderung: Neu gibt es im Frauengefängnis in Dielsdorf täglich sogenannten Gruppenvollzug. Früher war dies nur an zwei Tagen pro Woche der Fall.

Beim Gruppenvollzug sind für ein paar Stunden über Mittag sämtliche Zellentüren offen. Die Frauen können den Fitnessraum nutzen, ungehindert duschen oder in den Innenhof.

Mehr Kontakt, bessere Stimmung

Bei den Insassinnen kommt diese neue Freiheit hinter Gittern gut an, so die Leiterin des Frauengefängnisses in Dielsdorf, Simone Keller: «Sie schätzen es sehr, dass sie sich gegenseitig in den Zellen besuchen oder gemeinsam das Mittagesessen einnehmen können.»

So gebe es mehr Austausch, die Stimmung unter den Insassinnen habe sich merklich verbessert, so Keller. Weiter bietet das Frauengefängnis neu einmal pro Woche ein Sportprogramm und einen Kreativkurs an.

Trotz dieser Lockerungen bleibe die Untersuchungshaft für viele Frauen eine harte Erfahrung, so Simone Keller: «Der Alltag ist weiterhin komplett fremdbestimmt. Es ist eine grosse Einschränkung für alle – egal ob eine Person schuldig ist oder unschuldig.» Es sei nicht der Zweck der Untersuchungshaft, eine Person zu bestrafen.

Schwierige Nähe zu den Gefangenen

Auch für das Gefängnispersonal sind die neuen Regeln eine grosse Umstellung – und stellen die Wärterinnen vor neue Herausforderungen. Bestand ihre Aufgabe bisher vor allem darin, die Zellentür aufzuschliessen oder das Essen zu verteilen, schwitzen sie nun gemeinsam mit den Inhaftierten beim Sport oder malen zusammen im Kreativkurs.

Es gibt eine grössere Nähe zu den Insassinnen.
Autor: Simone Keller Leiterin Gefängnis Dielsdorf

Das sei nicht immer einfach für die Angestellten, so Gefängnisleiterin Simone Keller: «Der Umgang ist anders, ganz klar. Das Personal ist viel näher dran. Die Mitarbeiterinnen müssen sich dieser neuen Rolle bewusst sein.» Im Team gebe es seit der Umstellung regelmässig Supervisionen, in denen das Verhalten besprochen wird.

Auch wenn die Umstellung beim Personal weniger begrüsst wird als bei den Inhaftierten, habe sich das neue Regime in den ersten sechs Monaten bewährt, so die Bilanz von Simone Keller. Die neue Offenheit im Frauengefängnis bleibt daher bestehen.

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