Die Justizdirektion des Kantons Zürich ordnete im Juni 2018 eine Administrativuntersuchung gegen die Staatsanwaltschaft an. Es geht um den Verdacht der Verschleppung von Strafverfahren. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht auch die Oberstaatsanwaltschaft. Sie hat möglicherweise ihre Aufsichtspflicht verletzt.
Im Dezember 2014 kam es in einer psychiatrischen Klinik im Kanton Zürich zu einem Todesfall. 2015 eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen die behandelnde Ärztin sowie den Oberarzt wegen fahrlässiger Tötung.
Zum einen macht es mich traurig, dass mein Bruder während dem Klinikaufenthalt verstorben ist, zum anderen macht es mich wütend, dass sich das Verfahren so in die Länge zieht.
Es dauerte dann jedoch 26 Monate bis die beschuldigten Ärzte durch den Staatsanwalt befragt wurden. «Das ist definitiv zu lang», erklärt Anwalt Alexander Frei. Er vertritt die Angehörigen des verstorbenen Patienten. «Die Qualität der Aussagen nimmt nach über zwei Jahren erheblich ab. Die Beschuldigten können sich nicht mehr genau erinnern, was sie besprochen haben. Damit wird es für uns viel schwieriger, den Beweis der Sorgfaltspflichtverletzung zu erbringen», sagt Frei. Das Verfahren ist noch hängig.
Die Schwester des Verstorbenen ist frustriert. «Zum einen macht es mich traurig, dass mein Bruder während seinem Klinikaufenthalt verstorben ist, zum anderen macht es mich wütend, dass sich das Strafverfahren so in die Länge zieht», sagt sie.
Keine Strafe wegen Verjährung
Ein weiterer Fall, der Fragen aufwirft, ist das Strafverfahren gegen den früheren Leiter der Klinik am Bellevue in Zürich. Gegen ihn wurde 2015 ein Strafverfahren wegen Verstoss gegen das Heilmittelgesetz eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft stiess Ende 2014 im Rahmen einer Hausdurchsuchung in der Klinik auf illegale Medikamente.
Die Staatsanwaltschaft schaffte es während fünf Jahren nicht, die Beschuldigte zu befragen. Das darf nicht sein.
Der zuständige Staatsanwalt schaffte es jedoch nicht, das Verfahren abzuschliessen, dies bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber SRF: «Es trifft zu, dass betreffend die Widerhandlung gegen das Heilmittelgesetz die Verjährung eingetreten war, bevor das Verfahren abgeschlossen werden konnte.»
Politischer Druck
Für SVP Kantonsrat Claudio Schmid ist klar, dass die Aufsicht über die Staatsanwaltschaft ungenügend ist. «Ich habe Kenntnis von einem Strafverfahren gegen eine Ärztin. Die Staatsanwaltschaft schaffte es während fünf Jahren nicht, sie zu befragen. Das darf nicht sein.»
In einem entsprechenden Vorstoss stellte er kritische Fragen. Der Regierungsrat lieferte inzwischen die Antworten: Ärztefälle seien sehr zeitintensiv und die Beweisführung aufgrund der Komplexität der Fälle ausserordentlich schwierig.
Zuständiger Staatsanwalt wehrt sich
Doch auch für den Regierungsrat ist klar: Die Fälle werfen Fragen auf. «2018 wurden im Zusammenhang mit der Untersuchung von Medizinalfällen eine Strafanzeige und ein parlamentarischer Vorstoss eingereicht und es ging eine Aufsichtsbeschwerde ein. Ausgehend von diesen Warnzeichen hat die Direktion eine Administrativuntersuchung eingeleitet», erklärt Benjamin Tommer, Mediensprecher der Zürcher Justizdirektion.
Der Staatsanwalt, der für sämtliche Ärztefälle zuständig war, hält fest, dass er stets nach bestem Wissen und Gewissen handelte. Den Vorwurf der Verschleppung akzeptiert er nicht. Und: «Die Kapazitäten für die Bewältigung der Ärztefälle reichte nicht aus, um alle Verfahren zeitgerecht bearbeiten zu können.» Seit März 2018 arbeitet er nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft. Das Obergericht ZH hat im Zusammenhang mit der Anzeige gegen den Staatsanwalt die Durchführung eines Strafverfahrens untersagt.