1937 war der Startschuss für das ambitionierte Projekt, Dokumente aus dem Mittelalter, welche mit Graubünden zu tun haben, in eine lesbare Form zu bringen. 2019 ist das Bündner Urkundenbuch fertig. Der achte und letzte zweiteilige Band liegt auf dem Tisch. In den vergangenen fast 20 Jahren hat auch die Historikerin Immacolata Saulle für das Urkundenbuch Quittungen auf Pergamentpapier oder Gerichtsverhandlungen entziffert.
SRF News: Was genau ist ein Urkundenbuch?
Immacolata Saulle: Es ist eine Sammlung von Rechtsdokumenten, die mit dem Kanton Graubünden zu tun haben. Sie sind ursprünglich von Hand auf Pergamentpapier geschrieben. Es sind Verträge, Quittungen oder Stiftungen.
Wo sind diese 5000 Originale aufbewahrt?
Die meisten Dokumente sind im Bischöflichen Archiv in Chur aufbewahrt. Im Staatsarchiv Graubünden befindet sich nur ein ganz kleiner Teil. Bei allen Dokumenten im Urkundenbuch ist dokumentiert, wo sie liegen. Das sind über hundert verschiedene Archive in verschiedenen europäischen Ländern, anderen Kantonen oder Gemeinden.
Wozu dient dieses Urkundenbuch?
Es ist die Grundlagenforschung, damit Historiker und Historikerinnen auf dieser Basis weiterforschen können. Die Dokumente eignen sich zum Beispiel für Forschungen über den Adel. Interessant sind sie auch in Bezug auf die Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte. Dank Pachtverträgen wissen wir, wo welche Nahrungsmittel angebaut wurde. Dies gibt auch Aufschlüsse über die klimatischen Verhältnisse in jener Zeit.
Was fasziniert sie persönlich an dieser Arbeit?
Zum Teil habe ich das Gefühl, dass ich die Leute von damals direkt vor mir sehe und ihnen zuhören kann, wie sie beispielsweise vor Gericht aussagen. Auch interessant finde ich, die Schrift von damals zu lesen. Es lassen sich über die Dokumente Besonderheiten von Sprachregionen erforschen. So ist auch eines der ältesten Dokumente in romanischer Sprache in diesem Urkundenbuch. Es ist eine kurze Passage aus dem Jahr 1394 aus dem Münstertal.
Das Gespräch führte Stefanie Hablützel.