Bis Ende November sollen verschiedene Anlässe und eine Ausstellung an dern verheerenden Dorfbrand von Lavin vor 150 Jahren erinnern. Die Geschichte aufgearbeitet haben der Journalist und Landwirt Jürg Wirth und der Hotelier Hans Schmid.
SRF News: Wie muss man sich den Nachmittag des 1. Oktober 1869 in Lavin vorstellen?
Hans Schmid: Lavin war ein verschachteltes Dorf, die Häuser standen nahe beieinander. Es war ein warmer Herbsttag, das Heu war trocken, die Schindeldächer aufgeheizt. Als das Feuer ausbrach, dachte man erst, man bekomme es unter Kontrolle. Das Feuer wurde aber so mächtig, dass es in kürzester Zeit von Dach zu Dach sprang. Nur die Häuser auf der anderen Seite des Bachs blieben verschont.
Äusserst ungünstig war der Zeitpunkt, da viele Männer abwesend waren...
Und zwar am Viehmarkt in Samedan. Ausserdem waren die Feuerwehren abgeschnitten, die Telegrafie funktionierte nicht. Es dauerte lange, bis die Feuerwehr vor Ort war.
Auch 150 Jahre später wird noch darüber spekuliert, was die Brandursache war. Wie sehen die Theorien aus?
Eine ist, dass Kinder mit einem Streichholz ein Murmeltier im Heu gesucht haben. Eine andere ist, dass es einen Unfall beim Sieden von Butter gab.
300 Leute wurden damals auf einen Schlag obdachlos. Wo kamen sie unter?
In den Häusern, die verschont blieben oder in Nachbardörfern. Die Solidarität war sehr gross. Ausgewanderte Engadiner, die Schweizer Kantonsregierungen und die Bündner Gemeinden spendeten danach Geld für den Wiederaufbau.
Zum Wiederaufbau stellen Sie fest, dessen Qualitäten seien lange verkannt worden. Was waren denn die Qualitäten dieses Wiederaufbaus?
Der Kanton hat ein Baureglement für Lavin erlassen. Unter anderem wurden Flachdächer aus Zement vorgeschrieben, zudem entstanden offene Plätze und Strassen. Das hat Lavin eher den Charakter eines italienischen Städtchens als den eines Engadiner Dorfs verliehen. Lange wurde das als Bausünde betrachtet, heute muss man sagen: gerade die vielen Plätze füllen das Dorf mit Leben.