- Andreas Glarner (SVP/AG): Totengräber «sozialistischer Vorlagen» – mit Hang zur Provokation
Oberwil-Lieli heisst seine Gemeinde am Sonnenhang. Mit dem Auto ist man in einer Viertelstunde in Zürich. Immer mehr vermögende Leute ziehen nach Oberwil-Lieli. Denn seit zehn Jahren gilt dort die Tiefsteuer-Strategie: «Und die ist aufgegangen: Jedes Jahr können wir nochmal runter mit den Steuern.»
Reiche sind willkommen im Dorf, Asylbewerber nicht. Die Gemeinde kauft sich beim Kanton frei von der Verpflichtung, Asylbewerber aufzunehmen. Aber das werde immer teurer, klagt der Gemeindeamman: «Dieses Jahr geht es noch. Aber nächstes Jahr wird der Betrag etwa verzehnfacht – das wird sehr teuer für uns.» Er versucht jetzt gemeinsam mit anderen Gemeinden, eine günstige Unterkunft für Asylbewerber zu finden.
Glarner ist nicht nur Gemeindeamman. Als Fraktionspräsident der SVP steht er mit in Anzug und Krawatte mit akkurat geschnittenem Haar vor dem Aargauer Kantonsparlament. Wenn er ans Rednerpult tritt, dann ist es still im Saal. Glarner ist eloquent und schiesst gerne mit giftigen Voten um sich. Er sei stolz, sagt er, dass «wir praktisch alle sozialistischen Vorlagen beerdigen konnten.»
Ein Wahl-Kampf ist kein Wahl-Streicheln
Als Beispiel nennt er eine familienergänzende Betreuung, die man «à gogo» habe machen wollen, statt den Gemeinden die Freiheit zu überlassen. Die Autonomie der Gemeinde, das Sparen und der Kampf gegen die Gefahr von aussen – das ist Glarners Programm. Er sagt, Experten warten davor, dass jeder zwanzigste Flüchtling ein getarnter IS-Terrorist sein könnte. Auf seinem Wahlplakat zeigte er ein blutverschmiertes Messer und den Slogan: «Kopf hoch, statt Kopf ab.»
Provokation ist sein Markenzeichen: «Ein Wahl-Kampf ist kein Wahl-Streicheln. In diesem Sinne liebe ich die Provokation – aber auch als Mittel, die Leute aufzurütteln.» Immerhin habe der IS angedroht, dass er 500‘000 seiner Leute nach Europa schleusen wolle. «Wenn man sich hier nicht wehrt, kommt es nicht gut», warnt Glarner vor getarnten Terroristen unter den Flüchtlingen.
Mit dem Slogan: «Sie sind unter uns», habe er es übertrieben, sagten bisherige Nationalräte aus dem Kanton Aargau. Sie warnten davor, diese Hetzkampagne könne sich kontraproduktiv auswirken für den Gemeindeamman aus Oberwil-Lieli. Sie haben sich geirrt. Glarner bekam einen vielbeachteten Auftritt in der ARD und hat für die Aargauer SVP im Nationalrat einen zusätzlichen Sitz erobert.
- Sibel Arslan (Grüne/BS): Keine «Vorzeige-Migrantin» – aber Juristin, die gerne die Anwältin der Secondos gibt
Sibel Arslan sitzt an einem Tisch im Restaurant «Haltestelle» beim Basler Bahnhof. Sie wohnt gleich um die Ecke, im Gundeli-Quartier. Sie nennt ihr Quartier jedoch anders. «Gündülü», schmunzelt sie, und erklärt: «Menschen mit Migrationshintergrund, zum Beispiel Türken oder Tamilen, können manchmal nicht ‹Gundeli› sagen und sagen dann ‹Gündülü›.» Sie finde das toll, so Arslan, und übernehme es deshalb. «Weil es auch ein Teil von mir ist.»
Und Sibel Arslan ihrerseits ist ein Teil dieses Quartiers, in dem viele Menschen eine ähnliche Biographie haben wie sie selber. Ein Leben in zwei Kulturen. Arslan ist kurdischstämmig, erst mit 11 kam sie in die Schweiz. Sie musste sich zuerst zurecht finden in einer neuen Umgebung und mit einer neuen Sprache. Heute, mit Mitte 30, arbeitet sie als Juristin in der Verwaltung des Nachbarkantons Baselland – und politisiert seit zehn Jahren im Kantonsparlament. Sie ist eine Art eine Vorzeige-Migrantin. Auch wenn ihr selber diese Etikette nicht gefällt.
Andere Secondos sind genauso erfolgreich wie ich
«Ich glaube schon, dass ich erfolgreich bin. Aber als ‹Vorzeige-Migrantin› würde ich mich nicht bezeichnen. Ich kenne viele Secondos, die genauso erfolgreich sind wie ich, halt in anderen Bereichen. Ihnen möchte ich nicht Unrecht tun.» Aber auch wenn sie sich nicht als Vorzeige-Migrantin sieht – durch ihre Wahl in den Nationalrat wird die Baslerin nun in der Bundespolitik zu einer Stimme all jener Schweizerinnen und Schweizer, die einen Migrationshintergrund haben.
Sibel Arslan weiss das. Bereits im Basler Kantonsparlament hat sie sich eingesetzt für Migranten. So forderte sie kürzlich, der Kanton solle ein Projekt lancieren mit dem Ziel, dass Privatpersonen Flüchtlinge bei sich zu Hause unterbringen. Ähnliche Themen werden sie auch im Nationalrat beschäftigen.
Arslan sagt, ihre Wahl sei ein Zeichen, dass auch Migranten – mit oder ohne Schweizer Pass – sich am politischen Leben beteiligen wollen: «Wir können auf beiden Seite eine Vermittlerrolle spielen: Wir können Migrantinnen und Migranten dazu bewegen, sich zu beteiligen. Wir können aber aber auch Schweizerinnen und Schweizern ohne Migrationshintergrund zeigen, dass sich diese Menschen beteiligen wollen.»
Und so versteht sich Sibel Arslan im Nationalrat auch als Vertreterin jenes Viertels der Bevölkerung in der Schweiz, das keinen Schweizer Pass hat – und daher gar nicht abstimmen und wählen kann.