Zwei Themen beherrschen die Zeitungskommentare zu den eidgenössischen Wahlen: Die Gründe für den historischen Wahlerfolg der SVP sowie der Erfolg der FDP auf Kosten der jungen Parteien und der Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz im Bundesrat.
Für die «Neue Zürcher Zeitung» kommt der Sieg von SVP und FDP nicht unerwartet und stellt eine «Rückkehr zur Normalität» dar. Denke das Volk anders als weite Teile des Parlaments, seien «Korrekturen irgendwann unausweichlich. (...) Die neue Unübersichtlichkeit der letzten Jahre ist vorerst Geschichte».
Nicht förderlich für eine rationale Diskussion
NZZ-Chefredaktor Eric Gujer schreibt in seinem Kommentar gar, die SVP habe Wahlhilfe von der Deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erhalten. Denn: «Ihre fatalistische Migrationspolitik provoziert nicht nur in der Bundesrepublik bange Fragen, wohin dies alles noch führt.» Eine rationale Diskussion fördere dies allerdings nicht, so Gujer.
Die NZZ sieht SVP und FDP zudem «in der Pflicht, Gemeinsamkeiten etwa in der Wirtschafts- und Sozialpolitik auszuloten. Gelingt ihnen das nicht, verspielen sie leichtfertig ihren Erfolg».
SVP hat klar Anspruch auf zweiten Bundesratssitz
Auch die «Berner Zeitung» (BZ) ist nicht überrascht vom Wahlausgang: In Umfragen seien Themen als grösste Herausforderung genannt worden, bei denen vor allem die SVP traditionell punkten könne: Asyl und Flüchtlinge, Zuwanderung, EU und Europa. «Es waren diese Themen, welche die Debatten vor den Wahlen dominierten.»
Deshalb ist für Peter Jost, BZ-Chefredaktor, klar: Wenn man der SVP den begründeten Anspruch auf den zweiten Sitz im Bundesrat nicht erfülle, gehöre das Wort «Konkordanz» definitiv in die sprachliche Mottenkiste. Jost: «Gleichzeitig würde ein politisches System beerdigt, das über die letzten Jahrzehnte wesentlich zum Erfolg der Schweiz beigetragen hat.»
Wirken die Rezepte der Volkspartei?
Kein anderes Thema beschäftige die Menschen so stark wie die Flüchtlinge, begründet auch die «Aargauer Zeitung» den Sieg der SVP. Doch es stelle sich die Frage, schreibt Chefredaktor Christian Dorer, ob die Rezepte der Volkspartei auch wirken. Denn: «In der Schweiz kann man schnell mal etwas fordern, das gut tönt, im Wissen darum, dass es keine Mehrheit findet und sich nicht bewähren muss.»
«Gespaltenes Land»
Der « Tages-Anzeiger » sieht die Schweiz nach den Wahlen als «gespaltenes Land». «Abgestraft wurde die neue Mitte, die in der letzten Legislatur eine Scharnierfunktion zwischen den beiden Blöcken einnahm.» Tonangebend seien nun Parteien, «die bei der Altersvorsorge und der Energiewende ein Scheitern in Kauf nehmen».
2015 ist die Rückkehr zur Dominanz zentrifugaler Kräfte erfolgt. Zur Hypothek wird diese Ausgangslage auch angesichts der internationalen Vernetzung unseres Landes.
Der Berner «Bund» sieht die FDP trotz ihres «bescheidenen Sieges» in einer Schlüsselrolle: «Die FDP muss im bürgerlichen Lager verstärkt in die Rolle der verantwortungsvollen Leaderin schlüpfen, zu der die SVP, weil zu oppositionell, nicht in der Lage ist.»
«Widmer-Schlumpfs Wiederwahl kaum zu rechtfertigen»
Der Chefredaktor des « Bund », Patrick Feuz, wendet sich direkt an Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP): «Wenn die Bündnerin jetzt zugunsten der SVP auf eine dritte Amtszeit verzichtet, bietet sich ihr die Chance auf einen Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern.»
Denn falls der zweite Bundesratssitz die SVP tatsächlich zähme, so Feuz, wäre Eveline Widmer-Schlumpf die Frau gewesen, die Blochers Einfluss geschmälert habe.
Das «St. Galler Tagblatt» ist der Ansicht, dass die SVP vorher aber glaubhaft darlegen müsse, dass sie ernsthaft und kollegial mitregieren wolle. Sende sie entsprechende Signale, «wäre es ein Affront, der klar grössten Kraft unter der Bundeshauskuppel eine angemessene Regierungsbeteiligung zu verwehren». Eine Wiederwahl Widmer-Schlumpfs lasse sich nach dem Wahlresultat vom Wochenende kaum rechtfertigen.