Im nächsten Jahr feiert Silvio Bircher seinen 70. Geburtstag. Zeit für eine Rückschau für den ehemaligen Aargauer Regierungsrat, Nationalrat und Grossrat. Auf gut 200 Seiten vereint Bircher in seinem Buch «Nah am Zeitgeschehen» ältere Kolumnen und Artikel mit aktuellen Analysen.
«Ich habe aus mehreren Hundert Artikeln die wichtigsten herausgepickt», erklärt Bircher im Gespräch mit Radio SRF. Spannend dabei ist, dass Bircher seine zum Teil über 20 Jahre alten Artikel mit aktuellen Texten ergänzt. «Ich korrigiere mich zum Teil auch selber und zeige, wo meine Einschätzungen falsch waren. Zum Beispiel in Bezug auf Europa nach dem EWR-Nein 1992», so Bircher.
Analysen von Bern über Aarau nach Kirgistan
Spannend ist aber auch die inhaltliche Breite: Neben kantonaler und nationaler Politik berichtet Bircher über sportliche Themen, über Berge, Naturschutz und über seine Einsätze als OSZE-Wahlbeobachter in der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgistan vor 14 Jahren. In diesem Kapitel verbindet Bircher seine damaligen Erlebnisse mit einer aktuellen Analyse zum Ost-West-Konflikt und dem Krieg in der Ukraine.
«Ich glaube nicht, dass es einen neuen Kalten Krieg gibt», argumentiert er im Gespräch mit dem Regionaljournal Aargau Solothurn. «Aber ich glaube, dass nun eine längere Phase folgt, in der Russland versucht, seine damalige Stärke wieder zu erlangen.»
Wahlen 2015: «Entscheidende Wahlen»
Das Buch ist also hochaktuell. Das zeigt sich auch im Kapitel über die Schweizer Politik. Silvio Bircher hält die National- und Ständeratswahlen 2015 für eine entscheidende Weichenstellung.
«Aktuell ist vor allem der Nationalrat von einer hauchdünnen Mitte-Links-Mehrheit geprägt. Wenn das ändert, dann dürften sich auch die Machtverhältnisse im Bundesrat ändern.» Kurz nach den Parlamentswahlen wählt die vereinigte Bundesversammlung im Dezember nämlich die Landesregierung.
Viele Jahre lang beobachtete Bircher auch im Auftrag diverser Aargauer Medien die Wahlgänge im Kanton. Er wagt deshalb eine Prognose für die Nationalratswahlen: Der Aargau erhält im Oktober 2015 einen zusätzlichen Sitz in der grossen Kammer, 16 Sitze statt wie bisher 15. «Dieser Sitz dürfte an die CVP gehen», glaubt Bircher. Und fügt sogleich an, dass diese Prognose vielleicht auch etwas gewagt sei.
Bei den Ständeratswahlen wagt Bircher keine Prognose. Der SP-Mann hält aber alle bisherigen Kandidaten für geeignet. «Philipp Müller, Ruth Humbel und Hansjörg Knecht haben alle das Format, um in die kleine Kammer zu wechseln», lobt Bircher die Aargauer Vertretung in Bern.
Gegen die eigene Partei: Lob für Sparbemühungen
Lob erhält im Buch und im Gespräch mit Radio SRF auch die Aargauer Kantonsregierung. Silvio Bircher legt sich dabei auch mit seiner eigenen Partei an. Denn die Sozialdemokraten dürften das angekündigte Sparprogramm der Regierung mit einem Referendum bekämpfen. Bircher aber sagt: «Die Verwaltung hat in den letzten Jahren Speck angesetzt.»
Man müsse zwingend sparen, aber am richtigen Ort. «Die Verwaltung spart nicht bei sich selber. Das Parlament müsste sinnvolle Vorschläge unterbreiten», so Bircher. Dass er mit dieser Meinung der Parteimeinung widerspricht, stört ihn nicht. «Ich habe lange Jahre meiner Partei gedient.» Inzwischen sei er älter, habe ein paar Jahre lang «Weisheit gesammelt» und sage ganz einfach seine persönliche Meinung.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr)