Pascale Bruderer: Eloquent, omnipräsent in den Medien und Rednerin an vielen öffentlichen Veranstaltungen. Sie ist beliebt über die Parteigrenzen der SP hinaus und sie kann sich immer noch im Erfolg sonnen, dass sie es vor vier Jahren geschafft hat, der SVP den Ständeratssitz zu entreissen. Pascale Bruderer wird die Wiederwahl locker schaffen, darin sind sich alle Beobachter einig. Vielleicht sogar schon im ersten Wahlgang.
In schlechter Erinnerung sind die Wahlen 2011 hingegen der SVP. Sie war damals mit Maximilian Reimann im Ständerat vertreten. Die Parteistrategen befanden aber, Reimann (damals 69), müsse durch einen Jüngeren ersetzt werden, nämlich durch Ulrich Giezendanner (damals 57). Reimann wurde auf die Nationalratsliste abgeschoben, Giezendanner kandidierte für den Ständerat und scheiterte.
Bei den Ständeratswahlen 2011 hatte die SVP alles falsch gemacht; 2015 will sie nun alles richtig machen. Und sie ist nicht schlecht unterwegs. Ihr Kandidat ist Hansjörg Knecht, seit 2011 Nationalrat. Hauptberuflich ist er Unternehmer, er ist Mitbesitzer und Geschäftsleiter der Knecht Mühle AG in Leibstadt.
Bürgerliche Schwergewichte
Knecht ist kein Mann der grossen Töne, kein typischer «SVP-Polteri». Er kann zuhören und argumentiert einfach und klar. In seinem Wahlkampf spielt er auf seinen Namen an: In Bern gebe es schon genug Könige, es brauche auch noch Knechte. Den Wahlkampf hat er schon längst eröffnet. Lange vor allen anderen Kandidaten schickte er allen Stimmberechtigten im Aargau seine Wahlzeitung ins Haus. Seine Themen: Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik.
Die Aargauer Kandidaturen für den Ständerat
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Bild 1 von 10. Pascale Bruderer (SP). Die studierte Politologin aus Nussbaumen bei Baden ist seit 2011 im Ständerat – sie kandidiert für eine zweite Amtszeit. Die Familienfrau und selbstständige Unternehmensberaterin ist vor allem bekannt für ihr Engagement im Interesse behinderter Menschen. Bruderer hat Jahrgang 1977. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 10. Philipp Müller (FDP). Der gelernte Gipser und heutige Generalunternehmer aus Reinach will den Sitz seiner Partei im Stöckli verteidigen. Als Parteipräsident der FDP. Die Liberalen Schweiz mit hoher Medienpräsenz hat er gute Chancen. Müller hat Jahrgang 1952, er sitzt seit 2003 im Nationalrat, Parteipräsident ist er seit 2012. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 10. Hansjörg Knecht (SVP). Der 54-jährige Unternehmer aus Leibstadt betreibt eine Mühle und ist seit 2011 im Nationalrat. Er will für die wählerstärkste Partei im Aargau den 2011 an die SP verlorenen Ständeratssitz zurückerobern. Knecht bezeichnet sich selber als «Sachpolitiker». Er ist unter anderem Präsident des Aargauer Hauseigentümerverbandes. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 10. Ruth Humbel-Naef (CVP). Die Gesundheitspolitikerin aus Birmenstorf sieht sich selber in der «Aussenseiter-Rolle». Bereits 2003 kandidierte die 57-jährige Primarlehrerin und Juristin für den Ständerat, scheiterte aber. Sie wurde damals in den Nationalrat gewählt, wo sie heute noch politisiert. Humbel war früher erfolgreiche Orientierungsläuferin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 10. Bernhard Guhl (BDP). Nationalrat Bernhard Guhl will ins Stöckli. Der im Thurgau aufgewachsene Politiker bezeichnet sich unterdessen als typischen Aargauer. Guhl ist Elektroingenieur HTL, er hat Jahrgang 1972. Sein Hobby ist die Imkerei. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 10. Beat Flach (GLP). Der Jurist mit Jahrgang 1965 hat es 2011 auf Anhieb für die Grünliberalen in den Nationalrat geschafft. Zuvor sass er vom März 2009 bis November 2011 im Aargauer Grossen Rat. Beat Flach glaubt, dass er im zweiten Wahlgang durchaus eine Chance auf einen Ständeratssitz hat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 10. Lilian Studer (EVP). Die Tochter von Ex-Nationalrat Heiner Studer aus Wettingen soll der EVP zum ersten Mal einen Sitz im Stöckli bescheren. Studer (Jahrgang 1977) ist seit zwölf Jahren im Aargauer Grossrat. Sie hat sich vor allem mit Gesundheits- und Familienthemen profiliert. Sie ist Lehrerin für Textiles Werken und Geschäftsführerin des Blauen Kreuzes AG/LU. Bildquelle: zvg.
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Bild 8 von 10. Irène Kälin (Grüne). Die Kandidatur von Irène Kälin, Co-Fraktionspräsidentin im Grossen Rat, soll den Grünen in erster Linie bei den Nationalratswahlen helfen. Nach dem Verzicht von Geri Müller auf eine erneute Kandidatur steht für die Grünen der Sitzerhalt im Vordergrund. Irène Kälin (Jg. 1987) ist Islamwissenschafterin und Gewerkschaftssekretärin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 10. Der parteilose Pius Lischer (links) tritt zum dritten Mal – ohne jede Chance – zur Ständeratswahl an. Er vertritt seine eigene «Interessengemeinschaft Grundeinkommen». Samuel Schmid (rechts) vertritt die Sozial-liberale Bewegung und stellt sich zum zweiten Mal zur Wahl. Das letzte Mal holte er 0,5 Prozent der Stimmen. Bildquelle: Keystone; zvg.
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Bild 10 von 10. Christine Egerszegi (FDP). Die Politikerin aus Mellingen war die erste Ständerätin des Kantons Aargau überhaupt, als sie 2007 ins Stöckli gewählt wurde. Sie verzichtet nun per Oktober 2015 auf ihr Mandat und hat damit erst den «Run» auf diesen Sitz ausgelöst. Bildquelle: Keystone.
Knechts härtester Gegner ist Philipp Müller, Nationalrat und Präsident der FDP. Die Liberalen Schweiz. Müller ist viel bekannter als Knecht. Und vor allem: Müller schwimmt auf einer Welle des Erfolgs. Als Präsident der FDP Schweiz konnte er sich im Frühling 2015 über Wahlerfolge seiner Partei in den Kantonen Zürich, Basel-Land und Luzern freuen.
FDP-Kandidat ohne Wahlkampf
Philipp Müller hat sich zu Beginn seiner politischen Karriere vor allem in der Ausländer-Politik engagiert. Heute ist er in allen wichtigen Dossiers sattelfest. Als Bauunternehmer liegt ihm speziell die Wirtschaftspolitik am Herzen.
Das Handicap von Müller: Die FDP, seine Hausmacht, hat im Aargau einen Wähleranteil von 15 Prozent (Grossratswahlen 2012), für die SVP hingegen votierten bei der gleichen Wahl 32 Prozent der Stimmenden.
Hinzu kommt, dass Philipp Müller seinen persönlichen Wahlkampf ausgesetzt hat. Grund dafür ist der Verkehrsunfall, den er am 10. September 2015 in Lenzburg verursachte hatte. Er kollidierte mit seinem Mercedes mit einer jungen Frau auf einem Roller. Sie wurde schwer verletzt.
Humbel: Aussenseiterin und Geheimfavoritin
Müller und Knecht sind die Schwergewichte im Aargauer Ständerats-Wahlkampf. Und doch: Dass sie das Rennen unter sich ausmachen, ist noch lange nicht sicher. Dritte im Bunde der aussichtsreichen Kandidaten ist nämlich Nationalrätin Ruth Humbel-Naef von der CVP.
Auf den ersten Blick scheinen ihre Chancen klein zu sein. Sie bringt nur einen Wähleranteil von 13 Prozent mit. Und als sie 2003 gleichzeitig für den National- und den Ständerat kandidierte, schnitt sie im Rennen fürs Stöckli schlecht ab. Sie ist zwar eine der profiliertesten Gesundheitspolitikerinnen im Nationalrat, hat aber Mühe, ihre Kenntnisse in eine Sprache zu übersetzen, die der Durchschnittsbürger versteht.
Doch trotz dieser Handicaps könnte Ruth Humbel Hansjörg Knecht und Philipp Müller einen Strich durch die Rechnung machen. Man kann davon ausgehen, dass Pascale Bruderer im ersten Wahlgang gewählt wird. Für den zweiten Sitz wird es mit grösster Wahrscheinlichkeit einen zweiten Wahlgang brauchen.
In diesem könnte Ruth Humbel dann Stimmen von der Mitte bis weit nach links auf sich vereinigen. Das könnte reichen, um Müller und Knecht zu übertrumpfen. Sollte dieser Fall eintreten, wäre die CVP wieder im Ständerat vertreten. Den Sitz hatte sie 1995 an die SVP verloren.
Wiederum anders sähe die Situation aus, wenn sich entweder Müller oder Knecht im zweiten Durchgang aus dem Rennen zurückziehen würden. Die Chancen des verbleibenden FDP- oder SVP-Kandidaten würden dann massiv steigen, weil er alle (rechts-)bürgerlichen Stimmen auf sicher hätte.
Unantastbare Pascale Bruderer
Klar ist: Humbel, Knecht und Müller streiten sich nur um den Sitz von Christine Egerszegi, die nach acht Jahren nicht mehr antritt. Theoretisch könnten FDP, SVP und CVP zwar auch Pascale Bruderer angreifen. Mit dem Ziel, beide Ständeratssitze ins bürgerliche Lager zu holen.
Doch realistisch gesehen sitzt Pascale Bruderer so fest im Sattel, dass ein Angriff auf sie aussichtslos ist. Deshalb sind Humbel, Knecht und Müller im Ständeratswahlkampf erbitterte Gegner. Jede Partei hat ein allergrösstes Interesse, den Sitz im Stöckli zurückzuerobern beziehungsweise zu verteidigen.
Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass auch Pascale Bruderer in den zweiten Wahlgang muss. Vor diesem Szenario hat sie selber Angst. In einem Mailing an ihre Sympathisantinnen und Sympathisantinnen im Mai warnte sie davor, in Lethargie zu verfallen.
Sollte Bruderer tatsächlich im ersten Wahlgang das absolute Mehr verpassen, wäre in einem zweiten Wahlgang alles möglich. Es würden sich dann mehrere Kandidatinnen und Kandidaten um die zwei Sitze streiten. Das relative Mehr genügt. Wer dann am Schluss die Nase vorn hat, ist unmöglich zu prognostizieren.
Die Kandidaten im Überblick
Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr