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Weniger Frühförderung «Kinder sollen wieder mehr frei spielen»

Frühförderung ist wichtig, sagen Erziehungsexperten schon lange. Aber: Viele Eltern würden es auch zu gut meinen mit Frühförderung - heisst es nun. Die Kinder sollen weniger Kurstermine habe und wieder mehr selber spielen. In Aarau findet dazu aktuell eine Themenwoche statt. Die Aarauer Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm hat diese eröffnet.

Margrit Stamm

Erziehungswissenschaftlerin

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Margrit Stamm hat als Professorin für Pädagogische Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Universität Freiburg (CH) gearbeitet. Seit einigen Jahren führt sie das Institut Swiss Education, das sie selber gegründet hat. Das Institut hat den Sitz in Aarau und ist nach eigenen Angaben in der nationalen und internationalen Bildungsforschung in verschiedenen Ländern tätig.

SRF News: Sie propagieren das freie Spiel. Dies sei für Kinder sehr sinnvoll. Warum?

Margrit Stamm: Man weiss aus der Forschung seit vielen Jahren, dass das freie Spiel die beste Art der Frühförderung ist und der beste Entwicklungsmotor für das Aufwachsen eines Kindes. Das freie Spiel hat in den letzten 20 Jahren aber um mindestens einen Drittel abgenommen.

Sie sagen also, es gibt zu viel Frühförderung für kleine Kinder. Aber kann es überhaupt zu viel Frühförderung geben?

Ja, ich glaube schon. Vor allem wenn Eltern die Idee haben, sie müssen all das auch machen, was die Nachbarn oder Freunde machen. Dann ist es zu viel, wenn sie von einem Kurs zum anderen rennen und diese Kurse die Familienorganisation dominieren.

Die Kinder könnten in diesen Kursen aber auch am richtigen Ort gefördert werden und Talente entwickeln, die wichtig sind?

Ich habe nichts gegen Kurse. Kinder lernen in diesen Kursen auch wichtige soziale Kompetenz, sie müssen sich mit anderen Kindern auseinandersetzen, müssen sich selber überwinden. Bei diesen Kursen kommen die Kinder aber nicht mehr zum Atmen. Diese Kurse finden immer in geschützten Räumen und unter Kontrolle von Erwachsenen statt.

Ist das Übermass an Frühförderung auch in den ländlich geprägten Kanton Aargau und Solothurn ein Problem?

Ich denke, es ist vor allem auch ein Quartierproblem. Ich habe festgestellt, dass viele Eltern auf ihre Nachbarn schauen. Wenn diese etwas machen, dann will man das auch. Und auch auf dem Land gibt es bildungsaffine Quartiere, wo Frühförderung stark verbreitet ist.

Wie lässt man ein Kind denn richtig frei spielen?

Sie können ein Kind natürlich nicht einfach nach Draussen schicken und sagen es soll frei spielen. Es muss eine kinderfreundliche Umgebung sein, wo es einzelne Risiken, aber keine Gefahren gibt. Kinder brauchen einfach Raum und Zeit. Man sollte den Kindern bewusst Zeit dafür lassen.

Das Gespräch führte Alex Moser.

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