Eng, kleingeistig, unterwürfig, so sieht die Regisseurin Tatjana Gürbaca das Umfeld von Werthers grosser Liebe, Charlotte. Und um dies deutlich zu zeigen, hat der Bühnenbildner Klaus Grünberg eine Holzkiste gebaut. Mit milchkaffeebraunen, getäferten Holzwänden. Eine Stube, so miefig und beklemmend, dass man am liebsten wegschauen würde. Aber es gibt keinen Ausweg.
Fast drei Stunden lang lässt uns Tatjana Gürbaca in diese Wohnkiste blicken. Nur in der langen Schlussszene, in der Werther langsam stirbt, nur in dieser Szene schieben sich Decke und Wände auf. Ein Sternenhimmel funkelt, aber es bleibt dunkel. So dunkel wie in Charlottes Herzen. Und ihrem tristen Leben, in dem das Pflichtgefühl grösser ist als die Liebe.
Musikalische Glanzlichter
Die Weite, die man auf der Bühne vermisst, die schenkt einem das Orchester schon in der Ouvertüre. Messerscharf sind die ersten Akkorde, zuckersüss die Kantilenen. Der Dirigent Cornelius Meister lässt vorwärts stürmen und wunderbar im ¾ Takt schwingen. Gross und weit ist diese Musik. Sie kann sich aber auch zurücknehmen, zu einem zarten Flüstern. Genau wie die Stimme des Protagonisten.
Juan Diego Flórez singt den Werther mit einer fast grenzenlosen stimmlichen Farbenpracht. Kräftig, fast schneidend, stark und selbstbewusst am Anfang – gebrochen, fast nur noch gehaucht, in der Sterbeszene am Schluss. Aber nicht nur Flórez begeistert das Publikum. Grosser Applaus für das ganze Ensemble und vor allem für Anna Stéphany als Charlotte.