- Schweizer Kunden kaufen weniger Bücher. Ein Rückgang in 10 Jahren um vier Prozent.
- Wer kauft, macht das nicht in jedem Fall in einer Buchhandlung. Jeder Vierte bestellt online.
- Bücher in der Schweiz sind heute im Schnitt um 20 Prozent günstiger als vor 2015. Die Buchhändler haben nach Abschaffung des Mindestkurses ihre Preise gesenkt.
Diese Entwicklungen setzen dem stationären Handel zu. Jede dritte Buchhandlung in der Schweiz ist verschwunden oder von grösseren Ketten übernommen worden.
Und jene, die überlebt haben, kämpfen mit Umsatzrückgang.
Für die Krise im Buchmarkt gibt es zwei Gründe. Beide haben mit dem Internet zu tun, und beide treffen die Buchhändler ins Mark.
1. Das Leseverhalten hat sich verändert.
2. Jene, die noch lesen, kaufen gerne online oder greifen auf E-Reader zurück.
Die Zahl der Nichtleser wächst. Für die Schweiz fehlen zwar Studien. Der Verband des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband SBVV geht aber davon aus, dass sich in der Deutschschweiz ähnliches zuträgt wie in Deutschland.
Dort beobachtet man, dass die Kluft zwischen Lesern und Nichtlesern wächst. Das heisst: Wer liest, liest tendenziell sogar häufiger. Gleichzeitig hat der deutsche Buchmarkt mehr als sechs Millionen Käufer verloren. Unter dem Strich resultiert ein Minus von 2,8 Prozent verkaufter Bücher.
Laut einer Studie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels halten Stress und eine zu grosse Auswahl an Büchern (80'000 deutschsprachige Bücher erscheinen pro Jahr) Menschen vom Lesen ab. Gleichzeitig übernehmen TV-Serien die Funktion, die Bücher einst hatten. Über sie spricht man im Freundeskreis, sie muss man gesehen haben.
Besonders Jugendliche sind Büchern kaum zugeneigt. Die Schweizer Jugendstudie «James» zeigt:
- 30 Prozent der 12- bis 19-Jährigen lesen seltener als ein Mal pro Monat in einem Buch.
- 18 Prozent lesen nie Bücher.
Unklar ist, ob die «Digital Natives» den Weg zum Buch noch finden werden. Denn auch ältere Generationen haben ihr Leseverhalten bereits verändert. Der Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands ist besorgt.
Thomas Kramer: Die Digitalisierung mit den veränderten Lesegewohnheiten ist eine Herausforderung. Immer mehr Leute verbringen immer mehr Zeit vor dem Handy oder dem iPad. Hinzu kommt das Freizeitangebot, in dem es immer mehr um Fitness und Selbstoptimierung geht. Das frisst alles Zeit. Die Leute werden heute hektischer und sind quasi kurzatmiger.
Wie geht es dem Deutschschweizer Buchhandel?
Der Schweizer Buchhandel ist in den letzten 10 Jahren, wie viele Branchen, in einer angespannten Situation. Aber gleichzeitig kann man sagen, dass die Entwicklung eigentlich recht gut gewesen ist. Wenn man bedenkt, dass der CD-Handel auf ein Viertel eingebrochen ist, jener mit DVDs auf 40 Prozent, dann sind die 5 Prozent Verlust an verkauften Büchern durchaus verkraftbar.
Die Anzahl der Bücher ist das eine. Der Umsatz ist aber um 25 Prozent zurückgegangen. Das ist das, was wirklich zählt.
Nein, was wirklich zählt, ist: Gibt es noch ein Business oder nicht? Der Umsatzrückgang ist etwas, womit man umgehen muss, das ist klar. Die Branche hat sich aber als relativ innovativ und flexibel erwiesen.
Was muss man machen, um heutzutage als Buchhandlung zu bestehen?
Man muss das Bücher-Kaufen wie auch das Bücher-Lesen zum Erlebnis machen. Denn Bücher zu lesen ist ja eigentlich eine Wohlfühloase.
Ein zweiter Punkt ist der Kundenservice. Man muss genau wissen, was Kundinnen und Kunden wollen, ihnen gute Beratung angedeihen lassen.
Und es ist wichtig, dass man neue Wege sucht, dass man viele Veranstaltungen durchführt. Sie sorgen für eine engere Bindung. Man muss versuchen, alle Trümpfe auszuspielen, die der Online-Handel nicht hat.
Die Schweizer Buchhändler reagieren mit unterschiedlichen Rezepten auf die Krise. Vier Beispiele:
Orell Füssli
Der Schweizer Marktführer verzeichnet seit Jahren einen Rückgang in seiner Buchhandelssparte. Um die operativen Kosten zu senken, verkleinert er seine Filialen. Als Erstes traf es Anfang dieses Jahres die Filiale in Basel. Sie ist noch halb so gross. Gleichzeitig beherbergt sie ein deutlich grösseres Café, das die Kunden länger im Laden halten soll.
Um neue Kunden anzulocken, setzt Orell Füssli zudem auf Veranstaltungen. Allein für den Rest dieses Jahres sind 115 Events angekündigt. 41 davon widmen sich Themen, die nichts mit Büchern zu tun haben, sondern Beratungen zur Lebenshilfe sind: Handlesen, Astrologie, Physiognomie, Graphologie.
Auch bietet Orell Füssli in seinen Filialen Produkte an, die das Unternehmen als «buchnahes Sortiment» bezeichnet, die aber vom Fussball-Fanschal über die Teetasse bis zum Nagellack Unterschiedlichstes beinhalten. Sie tragen mit 20 Prozent zum Umsatz bei.
Ex Libris
Die Migros-Tochter verabschiedet sich vom stationären Handel. Sie ist dabei, alle Filialen bis auf 14 zu schliessen. 2010 betrieb das Unternehmen noch mehr als 100. Ex Libris begründet diesen Schritt mit einem Umsatzeinbruch in den Filialen um ein Drittel, vor allem wegen der Rückgänge im CD- und DVD-Bereich, die auch SBVV-Präsident Thomas Kramer erwähnt. Online hätten die Umsätze dagegen um 8 Prozent zugelegt.
Die verbleibenden Filialen sind entweder an strategisch wichtigen Orten wie Bahnhöfen zu finden oder jene Läden, die Gewinn verzeichnen.
Eine Neueröffnung: Buchsalon im Kosmos
Auf der anderen Seite gibt es jene, die unbeirrt an Buchhandlungen glauben. In Zürich hat Bruno Deckert das Kulturzentrum Kosmos miteröffnet, das neben Kinos, Veranstaltungen und Gastronomie auch einen Buchladen beherbergt.
Er ist gleichzeitig ein Café und bietet Arbeitsplätze. Die Buchverkäufe sind bisher unter den Erwartungen, im Sommer seien die Umsätze wegen des Wetters eingebrochen.
Bruno Deckert bezeichnet sich als buchbesessenen Menschen und hofft auf ausreichend Gleichgesinnte. Die Online-Konkurrenz kann er aber nicht wegreden. Er beobachtet: «Es gibt viele Leute, die mit ihrem Handy das Cover abknipsen und dann das Buch bei Amazon bestellen. ‹Showroom Shopping› nennt man das. Da muss ich immer total auf die Zähne beissen und natürlich die Faust im Sack machen. Das stinkt mir natürlich, wenn ich das sehe, aber das ist Part of the Game.»
Eine traditionelle Buchhandlung: Bücherladen Appenzell
Der Bücherladen in Appenzell besteht seit 26 Jahren. Seine Inhaberin Carol Forster ist inzwischen mehr als Buchhändlerin. Sie organisiert unterschiedlichste Events, um im Gespräch zu bleiben. So führt sie alle zwei Jahre ein Literaturfestival durch, liefert online bestellte Bücher an Läden in der Region – und schliesst vier Mal pro Woche Kunden für drei Stunden in ihrem Laden ein.
Die Kunden bleiben allein und können nach Belieben auspacken und lesen. Die Abende seien immer ausgebucht. Über ihren Umsatz möchte Carol Forster nicht sprechen. Sie sagt aber: «Ich möchte mich nicht beklagen. Uns geht es relativ gut.»
Mut in der Krise. Das ist keine neue Strategie. Aber wohl die einzige, um im Schweizer Buchhandel zu überleben.
Social Login
Für die Registrierung benötigen wir zusätzliche Angaben zu Ihrer Person.
{* #socialRegistrationForm *} {* firstName *} {* lastName *} {* emailAddress *} {* displayName *} {* mobile *} {* addressCity *} {* /socialRegistrationForm *}