Zum Abschied verzichtete Daniel Vasella doch noch auf den «goldenen Fallschirm». Tagelang sorgte seine geplante Abfindung von 72 Millionen Franken für eine Welle der Empörung. Zwei Tage vor der Generalversammlung ruderte der scheidende Verwaltungsratspräsident dann zurück.
Er habe verstanden, dass viele in der Schweiz den Betrag als unverhältnismässig hoch empfänden, schrieb Vasella in einer Mitteilung vom Dienstag.
«Am Ende war der Druck zu gross»
Seine Kritiker konnte er allerdings nicht mehr besänftigen. Für viele war die Abgangsentschädigung ohnehin nur noch der Tropfen, der das Fass nach einem jahrelangen Lohnexzess zum Überlaufen gebracht hatte. Fürsprecher hatten sich nicht einmal mehr in den Reihen der Wirtschaft gefunden.
Vielen Politikern – nicht wenige gerade im Abstimmungskampf gegen die Abzocker-Initiative – fehlten die Worte. «Da bin ich sprachlos», sagte eine offensichtlich entrüstete Simonetta Sommaruga in einer der ersten Reaktionen.

Kummer und Anfeindungen wegen seines Gehalts ist Vasella gewohnt. Jahrelang verdiente er fürstlich. Schätzungen gehen davon aus, dass er allein seit 2000 rund 400 Millionen Franken kassierte – die geplante Entschädigung für das Konkurrenzverbot noch nicht eingerechnet.
«Am Ende war der Druck wohl aber einfach viel zu gross», meint der Novartis-Kenner Dirk Schütz. Da habe auch der Verweis auf die USA nicht mehr gezogen, mit deren Lohndimensionen Vasella seine eigene hohe Bezahlung gern gerechtfertigt hatte. Selbst dort, so Schütz in der «Rundschau», «wären 72 Millionen heute undenkbar».
Vom Arzt zum Konzernchef
Vasella, eigentlich Spezialist für Innere Medizin, hatte 1988 Arztkittel gegen Anzug getauscht und war zum Basler Chemiekonzern Sandoz gestossen. Dieser wurde damals von Marc Moret geführt, einem Onkel von Vasellas Frau Anne Laurence. Dass die Familienkontakte dem unerfahrenen Vasella den Karrierepfad ebneten, bestreitet er bis heute.
Nach einigen Jahren für Sandoz in den USA kehrte Vasella 1992 in die Konzernzentrale nach Basel zurück. Hier leitete er zunächst die Pharmasparte, bevor er 1995 CEO wurde. Ein Jahr später vollzog Vasella die noch von seinem Vorgänger Moret auf den Weg gebrachte Fusion von Sandoz mit der Basler Ciba-Geigy. Die Verschmelzung erfolgte per Aktientausch und führte zur neuen Firma Novartis – nach dem lateinischen Begriff «novae artes» für «neue Fertigkeiten».
«Machtballung war einzigartig»
Im neuen Unternehmen teilte er sich die Führung zunächst mit dem früheren Ciba-Geigy-Chef Axel Krauer. Spätestens ab 1999, als Krauer als Verwaltungsratsratspräsident ausschied, wurde Vasella zum alleinigen Zentrum von Novartis. Von 1999 bis 2010 war der Bündner Verwaltungsratspräsident und Konzernchef in Personalunion – ein Doppelmandat, das möglich, aber schon damals höchst umstritten war.
«Die Machtballung war einzigartig», beschreibt es Kenner Dirk Schütz – auch mit Blick auf die Stimmrechtsbeschränkung für Aktionäre von zwei Prozent. «Das heisst, wer mehr Aktien hat, kann sie gar nicht einsetzen», so Schütz.
Offensichtlich wurde die Machtballung auch im Vergütungssystem. «Als er 1999 Verwaltungsratspräsident wurde, gründete er einen Vergütungsausschuss – und setzte sich selbst hinein», so Schütz. «Jeder mag davon träumen, seinen eigenen Lohn festzusetzen. Aber das verstösst gegen die gute Praxis.»
Schütz geht davon aus, dass Vasella schon kurz danach einen gigantischen Lohnsprung hinlegte. Verdiente er in den Anfangsjahren bei Novartis fast bescheidene zwei Millionen Franken, sollen es danach 20 Millionen gewesen sein. Zahlen, die Wasser auf die Mühlen der nicht Abzockerinitiative brachten.
«Vasella breit aufgestellt»
Und wie fällt die Bilanz des hochbezahlten Managers aus? In seiner Zeit als alleiniger Chef versuchte Vasella, die Abhängigkeit seines Konzerns von patentgeschützten Arzneimitteln zu mildern. Er baute die Sparte Augenheilmittel und das Geschäft mit Impfstoffen aus. Und er positionierte Novartis als Generika-Anbieter. Durch die Finanzkrise führte der heute 59jährige das Unternehmen ohne grössere Blessuren.
«Vasella hat Novartis stabilisiert und breit aufgestellt», sagte der frühere Preisüberwacher Rudolf Strahm in einem Interview mit SRF 4 News, kurz nachdem Vasella Ende Januar sein Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat bekannt gegeben hatte. «Er machte Novartis zu einem multinationalen Konzern und verdoppelte den Umsatz.» Gleichwohl sei auch er wegen der hohen Entlohnung gespalten in seinem Urteil über Vasella, so Strahm.
«Das hat viele Leute verärgert»
Wie gross die Entrüstung über Vasella ist, dürfte sich schon in Kürze zeigen, wenn die Abzocker–Initiative nach jahrelangem Gezerre vors Volk kommt. Die jüngsten Meldungen dürften einen Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben, zeigte sich der Politologe Michael Hermann in der «Tagesschau» überzeugt. «Das hat viele Leute verärgert.»
Dass der scheidende Novarts-Chef am Ende noch die Kehrtwende machte und auf die Abfindung verzichtete, könnte nach Herrmanns Einschätzung allerdings eher den Befürwortern helfen. «Weil es auch ein Zeichen ist, dass man mit politischem Druck Einfluss auf diese Manager ausüben kann.»
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