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Wirtschaft «Ein zweifelhaftes Experiment mit ungewissem Ausgang»

Mit dem Kauf von Unternehmensanleihen zündet EZB-Chef Mario Draghi im Kampf für mehr Inflation die nächste Stufe. Allerdings hat schon der Kauf von Staatsanleihen bisher wenig Wirkung gezeigt. Deshalb seien auch beim neuen Programm Zweifel angebracht, sagt SRF-Wirtschaftsredaktorin Maren Peters.

SRF News: Seit heute kauft die Europäische Zentralbank Firmenanleihen. Was erhofft sich EZB-Chef Mario Draghi davon?

Maren Peters: Er will damit die Wirtschaft ankurbeln und die Inflation anheizen. Mit dem monatlichen Kauf von Staatsanleihen im Umfang von 80 Milliarden Euro hat das bislang nicht so geklappt, wie erhofft. Deshalb schaltet Draghi jetzt mit dem Kauf von Unternehmensanleihen noch einen Gang höher. Das ist ein Markt mit einem Volumen von europaweit 770 Milliarden Euro.

Was kann diese Massnahme bringen?

Die Hoffnung ist natürlich, dass Unternehmen, die leichter an Geld kommen, auch mehr investieren und damit neue Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft in Schwung bringen. Denn die EZB investiert ja ab heute direkt in die europäische Wirtschaft, das Geld muss nicht erst den Umweg über das Bankensystem nehmen.

Welche Firmen werden denn von den Anleihenkäufen der EZB profitieren?

Die Währungshüter der EZB können alle Anleihen von Firmen mit einer Mindestbonität von BBB, einem sogenannten «Tripple B» und einer Laufzeit zwischen sechs Monaten und 30 Jahren kaufen. Also von Firmen, die von Ratingagenturen als einigermassen sicher eingestuft sind und ein relativ geringes Ausfallrisiko haben. Ausgenommen sind nur Papiere von Banken und Unternehmen der öffentlichen Hand. Und zwar weil die EZB nicht auf Umwegen Staatsfinanzierung betreiben darf.

Und was ist mit jenen Firmen, die gar nicht geratet sind?

Diese kommen nicht zum Zug. Das heisst, ausgerechnet jene Firmen, die den Grossteil der Arbeitsplätze schaffen – viele KMU und mittelständische Betriebe – kommen nicht zum Zug. Sie müssen sich auch künftig an Banken oder den Kapitalmarkt halten, wenn sie Geld brauchen.

Audio
Europäische Zentralbank beteiligt sich neu an Unternehmen
aus Rendez-vous vom 08.06.2016. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 29 Sekunden.

Auch in weiteren Punkten gibt es Kritik oder zumindest Zweifel an der Wirksamkeit der Anleihenkäufe. Weshalb?

Obwohl die Zentralbank schon seit Monaten Milliarden in Staatsanleihen investiert, blieb die Inflation bisher schwach. Im Mai ist sie sogar leicht gesunken. Und die Wirtschaft wächst zwar, aber sehr langsam. Es ist also völlig offen, ob Draghis Politik, die Märkte mit billigem Geld zu fluten, überhaupt wirkt. Trotzdem fährt er nun das nächste schwere Geschütz auf.

Umstritten ist dieses neue Programm auch wegen der Haftung. Denn anders als beim Kauf von Staatsanleihen, bei denen die Euro-Mitgliedsländer nur ein Fünftel der Haftung übernehmen, müssten sie bei Unternehmensanleihen voll ins Risiko.

Was bedeutet die Massnahme der EZB für Privatanleger?

Diese dürften es in Zukunft schwerer haben, beim Kauf von Firmenanleihen zum Zug zu kommen. Denn die EZB behält sich vor, bis zu 70 Prozent einer Emission selbst zu kaufen. Damit wird es für Privatanleger in einem jetzt schon angespannten Umfeld mit extrem niedrigen Zinsen noch schwieriger, Geld anzulegen. Sie müssen dann im Zweifelsfall auf Angebote mit zweifelhafter Bonität, also grösserem Ausfallsrisiko ausweichen.

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