Sechs deutsche Grenzgemeinden bei Basel, darunter Weil am Rhein, Binzen oder Grenzach-Wyhlen, reagieren auf den akuten Personalmangel in Kitas im grenznahen Raum.
Sie holen vorgebildete Fachkräfte aus Indien über ein strukturiertes Programm mit Sprachkursen, Praktika und anschliessender Ausbildung nach Deutschland – als gezielte Antwort auf den regionalen Fachkräftemangel.
Erfolgreiches Vorbild aus dem Handwerk
Vorbild ist Metzgermeister Joachim Lederer. Seit 2022 bildet er junge Inderinnen und Inder in seiner Metzgerei in Weil am Rhein aus. Lederer war der Einzige in Deutschland, der auf das Angebot einer indischen Vermittlungsagentur reagierte. Heute ist das Modell in ganz Baden-Württemberg etabliert und gilt sogar als Vorbild für weitere Branchen.
Ohne die jungen Menschen aus Indien würde meine Metzgerei ein Drittel weniger Umsatz machen.
Die Bilanz fällt für ihn eindeutig aus: «Ohne die jungen Menschen aus Indien würde meine Metzgerei ein Drittel weniger Umsatz machen», sagt Lederer. «Es ist wie ein Sechser im Lotto – wir könnten ohne sie am Markt nicht bestehen.»
Stadtverwaltung übernimmt das Modell
Oberbürgermeisterin Diana Stöcker (CDU) will das Modell nun auf die Erzieherinnen übertragen. Der Fachkräftemangel in den Kommunen sei aktuell markant, es wurden etwa bereits grossflächig Öffnungszeiten angepasst.
«Wir brauchen neue Wege, um dem Fachkräftemangel zu begegnen – Joachim Lederer hat uns gezeigt, dass es mit Fachpersonal aus Indien funktionieren kann», sagt sie.
Die Bewerberinnen müssen bereits in ihrem Herkunftsland mit Kindern gearbeitet und eine pädagogische Ausbildung abgeschlossen haben. Zudem sind Deutschkenntnisse auf B2-Niveau Pflicht.
Wer sich für Deutschland entscheidet, hat sich das sehr genau überlegt.
Nach ihrer Ankunft absolvieren die Teilnehmerinnen ein neunmonatiges Praktikum in einer Kita, begleitet von Sprachkursen. Erst danach, im Jahr 2027, beginnt die reguläre Ausbildung. Die elf indischen Fachkräfte sollen in den städtischen Einrichtungen arbeiten.
Stöcker kennt die indische Kultur aus eigener Erfahrung: «Ich habe vier Monate in Indien gelebt. Die jungen Menschen sind diszipliniert und strebsam. Wer sich für Deutschland entscheidet, hat sich das sehr genau überlegt.» Die Stadt will die Auszubildenden eng begleiten – mit Austauschrunden, WG-Angeboten und familiärer Unterstützung.
Ich war überrascht, wie gut das mit den indischen Metzger-Azubis funktioniert – sogar mit unserem Dialekt.
Sandra Trefzer, Leiterin einer Kita in Weil am Rhein, sieht das Projekt positiv: «Ich war überrascht, wie gut das mit den indischen Metzger-Azubis funktioniert – sogar mit unserem Dialekt.» Sprachliche Herausforderungen gebe es zwar, «aber mit guter Teamarbeit lässt sich das auffangen.»
Pratyay Saikia, Metzger-Azubi aus Indien, gefällt seine Ausbildung in Deutschland. Seit zwei Jahren erlernt er bei Joachim Lederer den Metzgerberuf.
«Ich wollte lernen, wie die Deutschen arbeiten – Schritt für Schritt. Die Leute hier sind sehr nett, und ich kann sogar Geld nach Hause schicken», sagt Saikia. Er plant, nach der Ausbildung in Deutschland zu bleiben und sich weiterzubilden.
Schweiz: gemischte Erfahrungen mit Pflegekräften aus den Philippinen
Auch in der Schweiz wird versucht, dem Fachkräftemangel mit ausländischem Personal zu begegnen – mit gemischten Ergebnissen. Am Kantonsspital Baselland wurden sieben Pflegefachkräfte aus den Philippinen angestellt. Drei überstanden die Probezeit nicht, nur eine konnte wie geplant arbeiten. Sprachliche Hürden und lange Einarbeitungszeiten erschwerten die Initiative. Ob das Projekt fortgeführt wird, ist aktuell offen.