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Wirtschaft Hoher Mindestlohn? Die USA wählen einen anderen Weg

In den USA holt der Staat über 6 Millionen Menschen mit erwerbsabhängigen Steuergutschriften aus der Armut. Das Instrument ist aus ökonomischer Sicht effizienter als hohe Mindestlöhne. Auf die Schweiz könnte es unter gewissen Bedingungen auch anwendbar sein.

Der Mindestlohn wird nicht nur in der Schweiz heiss debattiert, sondern auch in den USA. Barack Obama möchte ihn von 7,25 auf 10,10 US-Dollar erhöhen. Damit läge er – auch kaufkraftbereinigt – deutlich unter dem Ziel der Schweizer Mindestlohn-Initiative von 22 Franken.

Grafik, die zeigt, dass in den USA auch der Staat Abgaben für Arbeitnehmer leistet.
Legende: Für jeden Dollar vom Arbeitgeber erhalten geringverdienende Arbeitnehmer in den USA eine Steuergutschrift vom Staat. SRF

Dafür ist der Mindestlohn in den USA an ein zusätzliches Instrument gekoppelt: an erwerbsabhängige Steuergutschriften (EITC, Earned Income Tax Credits). Mit deren Hilfe will der Staat Schlechtverdienende aus der Armut holen.

Nur für Menschen mit Job

Shala Wright lebt mit ihren beiden Töchtern nördlich von Washington DC. Als alleinerziehende Mutter arbeitet sie Vollzeit in einem Büro und verdient monatlich rund 2400 US-Dollar netto. Das ist knapp: «Ich hangle mich durch. Wenn ich meinen Lohn bekomme, bezahle ich zuerst die Miete. Dann bleibt nur noch was für’s Benzin und Essen übrig. Danach bin ich pleite.» Unterstützung bekommt Shala Wright über erwerbsabhängige Steuergutschriften.

Es ist wie ein Bonus. Und ich habe ihn verdient, weil ich hart arbeite.
Autor: Shala Wright Büro-Angestellte

Nicht nur Befürworter

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Das Steuergutschriften-Modell gilt in den USA nicht nur als Segen. Ryan Ellis von der konservativen Organisation «Americans For Tax Reform» kritisiert es als zu kompliziert und betrugsanfällig.

Zum Interview (englisch)

Haushalte mit tiefem Einkommen erhalten für jeden Dollar, den sie vom Arbeitgeber als Lohn bekommen, zusätzlich einen Zuschuss vom Staat. Bis zu einem gewissen Niveau erhöht sich diese Gutschrift mit steigendem Lohn. So soll ein Anreiz geschaffen werden, dass es sich auch für gering Verdienende lohnt, mehr zu arbeiten. Wer nicht erwerbstätig ist, ist nicht bezugsberechtigt.

Die Gutschrift ist gedeckelt: Bei einer Familie mit zwei Kindern beträgt sie maximal 5460 US-Dollar pro Jahr. Rund 6 Millionen Personen überspringen in den USA so die Armutsgrenze.

Verglichen mit dem Konzept des Mindestlohns sind es hier nicht die Unternehmen allein, die für das Einkommen ihrer Angestellten sorgen. Der Staat übernimmt einen Teil dieser Aufgabe. Kombiniert mit einem eher niedrig angesetzten Mindestlohn bestehen so gleichermassen Grundsicherung und Arbeitsanreiz.

Zudem zielen Steuergutschriften nicht auf das Individuum, sondern auf das Haushalts-Einkommen: Hätte Shala Wright zum Beispiel einen gut verdienenden Partner, würde die Familie keine Unterstützung bekommen. Der Mindestlohn hingegen ist unabhängig von der Höhe des gesamten Haushalts-Einkommens.

Auch für die Schweiz sinnvoll?

Der Berner Ökonomie-Professor Robert Leu hat im Auftrag des Bundesrats untersucht, ob sich solch ein System auch in der Schweiz einführen liesse. Er hält das Instrument für ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Armut: «Die erwerbsabhängigen Steuergutschriften ziehen gering verdienende Menschen in den Arbeitsmarkt hinein – zu hohe Mindestlöhne dagegen vernichten gerade solche Arbeitsplätze», so Leu gegenüber «ECO».

Video
Robert Leu über das Szenario von Schweizer Steuergutschriften
Aus ECO vom 28.04.2014.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 13 Sekunden.

Damit das System funktioniere, bräuchte es einen relativ tiefen Mindestlohn. Zudem müsste die Sozialhilfe, deren Niveau in der Schweiz relativ hoch sei, gesenkt werden. Andernfalls würden sich die öffentlichen Sozialleistungen massiv erhöhen.

In seiner Studie identifizieren Robert Leu und seine Mit-Autoren die Kantone als potenzielle Verwalter solcher Gutschriften. Auf Bundesebene wäre deren Einführung weniger sinnvoll. Die Kantone verfügten über den grössten Teil des Steuer-Aufkommens – und das Modell knüpfe ja schliesslich an die Einkommens-Steuer an. Auch Sozialhilfe und Ergänzungs-Leistungen seien Sache der Kantone.

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