Das Wichtigste in Kürze:
- Mehrere ausländische Anbieter sind in der Schweiz in den Online-Handel mit Lebensmitteln eingetreten – zuletzt Lidl.
- Dem Markt wird eine Verdopplung innerhalb der nächsten fünf Jahre prophezeit.
- Migros und Coop scheinen das Geschäft zu vernachlässigen, obwohl sie alle Karten in der Hand hätten.
Heute kaufen Schweizer Konsumenten knapp 2 Prozent ihrer Lebensmittel online. Das ist wenig, aber laut einer Credit-Suisse-Prognose wird sich dieser Anteil in den kommenden fünf Jahren verdoppeln. Patrick Kessler vom Verband des Schweizerischen Versandhandels VSV unterstützt diese Prognose weitgehend: «Ich würde das unterschreiben, wenn diese Unternehmen entsprechend stark in die Kommunikation und Promo investieren. ‹Einfach so› passiert nichts im Markt.»
Es sieht nicht danach aus, als würden die Schweizer Grossverteiler zu den Treibern werden. Sie bieten zwar seit mehr als 10 Jahren Online-Shops, allerdings sind deren Anteile im Vergleich zum Gesamtumsatz vernachlässigbar: LeShop macht 1,6 Prozent am Supermarkt-Umsatz von Migros aus, Coop@Home 1,3 Prozent. Und auch das Umsatzwachstum, auf das beide Detailhändler hinweisen (zuletzt bei Coop@home 7 Prozent und bei Le Shop 3,5 Prozent) ist für eine Branche gering, die laut Marktforschungsinstitut Kantar global um 15 Prozent zugenommen hat.
«Ich glaube, der Druck ist zu wenig gross, denn im stationären Handel funktioniert es noch», sagt Mirjam Hauser vom Marktforschungsinstitut GIM. «Migros und Coop sind keine Vorreiter, was das Online-Angebot anbelangt. Sie schauen, wie andere in den Markt eintreten und reagieren dann, aber sie entwickeln nicht proaktiv weiter.»
Auf Anfrage wollen sich beide Unternehmen nicht zur Frage äussern, weshalb ihre Online-Umsätze so gering sind. Sie verweisen auf steigende Umsätze und neue Produkt-Angebote.
Deutsche Anbieter sind bereits da
Diese Zurückhaltung könnte Migros und Coop künftig Probleme bereiten. Ihnen erwächst derzeit Konkurrenz sowohl aus dem Detailhandel als auch von reinen Online-Anbietern.
- Beispiel 1: Der deutsche Discounter Lidl ist am 30. August in der Schweiz mit dem Angebot «Menu Box» gestartet. Am Schweizer Sitz in Weinfelden werden Kochboxen auf Bestellung verpackt und mit der Schweizerischen Post versendet. Knapp 20 Personen hat Lidl für dieses Projekt eingestellt.
- Beispiel 2: Bereits seit 1,5 Jahren bietet «Hello Fresh» Kochboxen in der Schweiz an. Das Unternehmen ist mittlerweile in 10 Ländern aktiv und hat nach eigenen Angaben 1,3 Millionen Kunden. «Hello Fresh» ist Teil des deutschen Tech-Unternehmens Rocket Internet, aus dem auch der Online-Kleiderversand Zalando hervorgegangen ist.
- Beispiel 3: Farmy ist ein Online-Versandhandel, der Produkte von Biohöfen zu seinen Bestellern bringt. Die Gründer, ursprünglich aus Deutschland, haben sich nach Marktanalyse bewusst für die Schweiz entschieden. Dort haben sie das grösste Potenzial für einen Versand biologischer Lebensmittel geortet. Das Start-up rechnet nächstes Jahr mit einer Verdopplung des Umsatzes, auf einen 2-stelligen Millionenbetrag.
Alle drei argumentieren, dass der Schweizer Kunde grossen Wert auf Frische lege und man sich aus diesem Grund entschieden habe, das Angebot in der Schweiz zu lancieren.
Damokles-Schwert Amazon
Reine Online-Anbieter wie «Hello Fresh» und «Farmy» zeigen noch etwas anderes: Es ist möglich, den Handel mit Lebensmitteln auch ohne stationäres Pendant zu betreiben. Über allem schwebt derzeit die Offensive eines Unternehmens, das schon einmal eine ganze Branche, jene der Bücher, umgekrempelt hat: Amazon. Nun hat sich das Unternehmen die Lebensmittel-Branche vorgenommen.

Seinen Dienst «Amazon Fresh» hat es vor wenigen Wochen auch in Deutschland lanciert. Für Branchenkenner ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Dienst auch in der Schweiz startet. Mirjam Hauser beobachtet: «Die Angst vor Amazon ist gross. Amazon wird zum Anfang vermutlich sehr viel Geld in das Projekt investieren, hat das technologische Knowhow und ist in der Digitalisierung einem klassischen Händler meilenweit voraus.»
Beide Grossverteiler glauben, weiterhin im Vorteil zu sein und betonen ihre Kombination aus stationärem und Online-Angebot. Migros schreibt: «Das grosse und dichte Infrastruktur-Netz der Migros-Gruppe ist nicht nur ein entscheidender Vorteil, vor allem gegenüber ausländischen Anbietern, sondern auch die konsequente Umsetzung unserer Omni-Channel-Strategie.» Und Coop kündigt an: «In den letzten zwei Monaten des Jahres werden wir weitere Innovationen aufschalten. Coop als Unternehmen, welches in der Schweiz stark verwurzelt ist, bietet echten X-Channel für die Kunden an, d.h. stationär und online einkaufen je nach Lebenssituation oder –umständen.»
Migros und Coop sind in der Schweiz Riesen. Doch Amazon ist ein Gigant.
Online-Anteil an Supermarkt-Einkäufen (ausgewählte Beispiele)
Südkorea | 16,6 % |
Japan | 7,2 % |
Grossbritannien | 6,9 % |
Frankreich | 5,3 % |
Schweiz | 1,9 % |
Deutschland | 1,2 % |
Italien | 0,4 % |
Österreich | 0,3 % |
Quellen: Kantar 2016, GFK 2017 |
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