«Das ist doch komplett absurd.» So kommentiert Hausarzt Felix Huber das neue Grundversicherungsmodell «Qualimed» der Krankenkasse Assura. Es gilt ab Januar und sieht vor, dass die deutsche Firma «Betterdoc» künftig die Auswahl von Spezialisten übernimmt.
«Wir arbeiten seit vielen Jahren in einem grossen Kreis von Ärzten zusammen. Wir wissen, wie jeder arbeitet und ob er sein Gebiet beherrscht oder nicht», sagt Huber.
«Und jetzt kommt eine deutsche Firma und will das besser machen. Da kann ich nur sagen: Das ist so eine komische Idee, das wird nie funktionieren.»
Hausärzte warnen vor «Qualimed»
Felix Huber ist Präsident der Medix-Ärztepraxen, einer Kette von Gruppenpraxen, in denen Hausärzte und Spezialisten an einem Ort zusammenarbeiten. Er ist nicht allein mit seiner Kritik.
Mehrere von «ECO» befragte Hausärzte äussern sich ähnlich oder haben gar Zettel in ihrer Praxis ausgelegt, die vor dem neuen Versicherungsmodell warnen.
«Ich verstehe die Reaktion», sagt Stephan Kotyczka von Assura. Er hat das Modell entwickelt. Er könne aber versichern, dass der Hausarzt darin eine zentrale Rolle habe.
Das Angebot sei aus einem Kundenbedürfnis heraus entstanden: «Wir haben sehr viele Anfragen bekommen von Kunden nach Spezialisten, die wir empfehlen können.»
Diese Aufgabe wird nun «Betterdoc» übernehmen. Die Kölner Firma wurde vor acht Jahren von einer Ärztin, ihrem Mann und ihrem Schwager gegründet. In Deutschland können mittlerweile rund 20 Millionen Versicherte die Dienste nutzen.
Die Verantwortlichen von «Betterdoc» betonen, dass sie finanziell unabhängig seien von den Ärzten, die sie vorschlagen. Sie richteten sich allein nach den Bedürfnissen des Patienten und sammelten dafür systematisch Informationen.
«Welche Klinik hat welche Fallzahlen? Wie oft wird ein Eingriff durchgeführt? welche Mortalitätsraten gibt es?», zählt Geschäftsführer Nils von Dellingshausen auf.
«Dann müssen Sie aber noch viel tiefer einsteigen und schauen: Welcher Arzt ist wie qualifiziert, wie zertifiziert, was hat er für Leistungsschwerpunkte? Wo engagiert er sich in der medizinischen Fachgesellschaft? Wo publiziert er? Das ist ein sehr breites und tiefes Feld. Dafür braucht es eine Menge Personal, um das alles zu erheben.
Assura rechnet mit Einsparungen
Wenn Assura tiefere Prämien anbietet und gleichzeitig Geld an «Betterdoc» zahlt – als Fallpauschale, deren Höhe die Beteiligten nicht bekannt geben –, dann, weil sie damit rechnet, finanziell zu profitieren.
Stephan Kotyczka sagt, die Pilotphase mit «Betterdoc» habe eine Schätzung der Expertengruppe des Bundes bestätigt: dass 20 Prozent der Eingriffe vermieden werden könnten, ohne dass der Patient Schaden nehme.
Die Direktorin des Versicherungsverbandes Santésuisse begrüsst das Modell, denn es gebe ein grundsätzliches Problem. Verena Nold sagt, wir hätten zwar in der Schweiz ein sehr gutes Gesundheitswesen, aber der Patient «hat keine Informationen, um zu beurteilen, welcher der qualitativ beste Arzt ist – vor allem für sein spezielles Leiden.»
Felix Huber lässt durchblicken, wie er mit «Qualimed» umzugehen gedenkt: «Wir können als Arztpraxen natürlich Patienten ablehnen, die so ein Modell haben. Fast alle Praxen sind überfüllt mit Patienten und haben jetzt schon Aufnahme-Restriktionen.»
Das Versicherungsmodell gilt ab Januar. Es sieht nicht so aus, als würden sich bis dahin die Wogen glätten.