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Schutz vor Corona Aufruhr bei Amazon

In der Coronakrise häuft sich die Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Amazon. Nun gab es einen hochrangigen Abgang.

Wenn es in der Coronakrise so etwas wie Gewinner gibt, dann gehört Amazon ohne Zweifel dazu. Der geschlossenen Läden wegen bestellten mehr Leute als sonst beim Versandhändler. Der Umsatz ist im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent auf 75,5 Milliarden Dollar gestiegen und auch Amazons Aktienkurs zeigt seit Mitte März steil nach oben.

Gleichzeitig nahm in den letzten Wochen auch die Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Amazon zu. So warf ein deutscher Lagerarbeiter dem Unternehmen in einer von der Mitarbeiterinitiative «Amazon Employees for Climate Justice» (AECJ) organisierten Videokonferenz vor, die Angestellten zu Beginn der Krise zu wenig vor dem Coronavirus geschützt zu haben und nun unzureichend über die Zahl der Infizierten zu informieren.

Der reichste Mann der Welt

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Eine Portraitaufnahme von Jeff Bezos
Legende: Keystone

Der steigende Amazon-Aktienkurs machte CEO Jeff Bezos während der Coronakrise noch einmal um 6.4 Milliarden Dollar reicher. Mit einem Aktienanteil von 11.2 Prozent wird sein Vermögen heute auf gut 138 Milliarden Dollar geschätzt. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Amazon-Lagerarbeiter verdient im Jahr gut 30'000 Dollar. Selbst wenn er seinen ganzen Lohn beiseitelegen könnte, müsste er rund 4,3 Millionen Jahre arbeiten, um ein gleich grosses Vermögen wie Jeff Bezos anzuhäufen.

Noch heftiger ist die Kritik in den USA: Nach Corona-Infektionen in mehreren Logistikzentren kam es zu Streiks und der Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und Schutzmassnahmen. Nach der Entlassung eines Streikführers wandten sich die Lagerarbeiter an die AECJ, wo bald darauf ebenfalls zwei Mitarbeiterinnen entlassen wurden, die Amazons Verhalten in der Coronakrise kritisiert hatten.

Das war für Tim Bray zu viel: Aus Protest gegen die Entlassungen kündigte der hochrangige Manager seine Stelle als Vizepräsident von Amazons Web Services. In seinem Blog wirft Bray seinem ehemaligen Arbeitgeber vor, den Umsatz über die Gesundheit der Lagerarbeiter zu stellen. Dem Versandriesen fehle «die Rücksicht auf die menschlichen Kosten des unerbittlichen Wachstums». Whistleblower zu entlassen sei «ein Beleg für eine giftige Ader, die durch die Unternehmenskultur läuft». Er habe entschieden, «dieses Gift weder zu trinken noch zu servieren».

Arbeit unter enormem Zeitdruck

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Ein Amazon Lagerarbeiter steht vor gefüllten Regalen
Legende: Keystone

Zur Überwachung der Produktivität setzt Amazon in seinen Logistikzentren eine eigene Software namens ADAPT ein. Sie überwacht die strengen Zeitvorgaben und spricht bei Nichterfüllen Verwarnungen aus, was im Wiederholungsfall zur Entlassung führen kann. Vorgaben sind zum Beispiel, dass pro Stunde 700 Produkte verpackt oder 1800 Pakete gescannt werden müssen – 30 pro Minute.

Amazon hat naturgemäss eine andere Sicht der Dinge. Das Unternehmen gab unlängst bekannt, 4 Milliarden Dollar für Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus zu investieren – dazu gehören Ausgaben für Schutzmaterial ebenso wie höhere Löhne für die Lagerarbeiter, die bis Ende April 2 Dollar mehr pro Stunde verdienen. Auf Anfrage von SRF Digital weist Pressesprecher Stephan Eichenseher auch die Kritik deutscher Mitarbeiter entschieden zurück: Die Vorwürfe hätten nichts mit der Wirklichkeit zu tun.

Trotzdem ist es kein Zufall, dass ausgerechnet Amazon am Pranger steht, denn Kritik an den Arbeitsbedingungen war schon vor Corona ein Dauerthema. So stellte etwa das auf investigativen Journalismus spezialisierte Center for Investigative Reporting fest, 2018 habe fast jeder zehnte Vollzeitbeschäftigte in Amazons US-Logistikzentren eine schwere Verletzung erlitten. Die Rate der schweren Unfälle liege mehr als doppelt so hoch wie in anderen US-Lagerhallen.

Die Schweiz wird aus dem Ausland beliefert

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Ein Amazon-Logistikzenter in Deutschland
Legende: Keystone

In der Schweiz unterhält Amazon keines seiner Fulfillment Center genannten Logistikzentren. Schweizer Kundinnen und Kunden werden stattdessen von Standorten aus Deutschland, Frankreich oder Italien beliefert, in der deutschen Schweiz vor allem aus einem der elf Logistikzentren in Deutschland.

Doch Amazon bleibt gerade für niedrig qualifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter ein einigermassen attraktiver Arbeitgeber, der mit 15 Dollar pro Stunde gut doppelt so viel wie den US-Mindestlohn zahlt (bei Konkurrenten wie Ikea oder Walmart sind es um die 11 Dollar).

Mit dem Abgang von Tim Bray könnte das schlechte Image allerdings doch zum Problem werden. Wenn es um hochqualifizierte Mitarbeiter im Informatikbereich geht, steht Amazon in hartem Wettbewerb mit Technologiefirmen wie Apple, Google oder Facebook. Wenn sich hochrangige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun abwenden oder neue Talente gar nicht erst anheuern, setzt das Amazon wohl noch mehr unter Druck als die Streiks der Lagerarbeiter.

SRF 4 News, Freitag, 15. Mai, 08:25 Uhr

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