Die Schweiz braucht ein Stromabkommen mit der EU. Dieses Ziel hat Bundesrätin Doris Leuthard am jährlichen Stromkongress der Elektrizitätsbranche in Bern bekräftigt. Das vor allem, um die Stromversorgung, die Versorgungssicherheit in der Schweiz langfristig zu sichern. Noch vorher aber solle die Schweiz die volle Öffnung des Strommarktes bis hin zum einzelnen Kunden ins Auge fassen, so Leuthard.
«Voraussetzung bleibt aber der Zugang zum internationalen Strommarkt, vorzugsweise gesichert mit einem Stromabkommen.» Eines, wie es die Schweiz eigentlich schon lange will, nur stockten die Verhandlungen in den letzten Jahren. Ein Abkommen abzuschliessen, habe viele Vorteile, so Leuthard: «Je besser das gelingt, desto besser unsere Versorgungssicherheit und die Preissituation.»
Energiebranche will nichts überstürzen
Die Branche ist ebenfalls für ein Stromabkommen, auch wenn die Interessen grosser und kleiner Kraftwerke auseinandergehen. Michael Wider sitzt in der Alpiq-Konzernleitung und ist Präsident des Branchenverbandes VSE. Er spricht auch von Vorteilen eines solchen Abkommens mit der EU: «Wir wären so auch kommerziell verbunden mit Europa. Es würde einfacher, als wenn das nicht der Fall ist.»
Allerdings warnt Wider davor, etwas zu überstürzen. Wichtig sei, dass Strom aus der Schweiz auch in Zukunft rentiere. Gewisse Regulierungen müssten bleiben – zum Schutz der einheimischen Stromproduktion. So ein «Strommarktdesign» will auch Leuthard. Habe man sich aber einmal geeinigt, wie viel Schweizer Strom wo und wie produziert werden soll, müsse sich der Schweizer Markt rasch öffnen.
Er soll sich also völlig liberalisieren – möglicherweise noch vor einer Einigung mit der EU. So könne man die Energiewende eher erreichen. «Indem sie eben auch Produktinnovationen fördert und dank flexibler Energietarife und Transparenz neue Geschäftsmodelle schaffen wird», so die Energieministerin. Ob ein Stromabkommen und eine rasche Liberalisierung mehrheitsfähig sind, ist fraglich.
Volk und Parlament noch nicht überzeugt
Die SVP ist ohnehin gegen neue Abkommen mit der EU. Die SP, die europafreundlichste unter den Bundesratsparteien, ist zwar grundsätzlich für ein solches Stromabkommen, andererseits sind offene Märkte für viele Sozialdemokraten erst einmal verdächtig.
SP-Energiepolitiker Beat Jans fordert deshalb, «dass die Wasserkraft und die neuen erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind auch in Zukunft in der Schweiz zugebaut werden können, sodass wir eine gewisse Eigenproduktion in der Schweiz aufrechterhalten können. Also es sind inländische Rahmenbedingungen, die wir noch schaffen müssen.» Nicht einfach dürfte es sein, das Volk davon zu überzeugen, dass eine freie Stromwahl wirklich Vorteile bringt.