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Streit um den GAV Krach in der Schreinerbranche – und Verlierer auf allen Seiten

  • Die Gewerkschaften und der Schreinermeisterverband hatten bereits einen neuen GAV beschlossen.
  • Teil davon war ein Modell, mit dem Schreinerinnen und Möbelbauer künftig vorzeitig in Pension gehen könnten. Ein Erfolg für die Gewerkschaften.
  • Doch dann verweigerten die Delegierten des Schreinermeisterverbandes ihrer Verhandlungsdelegation die Gefolgschaft.

Im Zentrum des Streits steht das «Vorruhestandsmodell», kurz VRM. Damit sollen Schreinerinnen und Möbelbauer künftig früher in Rente gehen können. Am Verhandlungstisch war man sich einig: Man will sowohl den neuen GAV als auch dieses Vorruhestandsmodell einführen.

Doch die Delegierten des Schweizerischen Schreinereiverbandes VSSM stellten sich quer: Die Arbeitgeber lehnten das Vorruhestandsmodell ab. Verbandsdirektor Mario Fellner bleibt einzig festzustellen: «Die Schreinerbranche ist zurzeit nicht bereit für ein solches neues System.»

Eklat mit Ansage

Fellner sah das Unheil offenbar kommen. Man habe bereits im März die Abstimmung um ein Jahr verschieben wollen. «Auch wegen der Corona-Situation und weil wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Die Gewerkschaften haben aber darauf gedrängt, dass wir das in diesem Jahr behandeln.»

Die Gewerkschaften pochen tatsächlich darauf, dass beide Verträge zusammen in Kraft treten. Denn für Kaspar Bütikofer, den zuständigen Branchensekretär bei der Gewerkschaft Unia, ist klar: «Beide Verhandlungsteile – das Vorruhestandsmodell und der GAV – bilden eine Einheit.»

Schreiner bei Arbeit
Legende: Im letzten Moment scheiterte eine Einigung beim künftigen GAV in der Schreinerbranche: Gewerkschaften und Arbeitgeber haben wohl zu hoch gepokert. Keystone

Die beiden Verträge seien eng miteinander verflochten, so Bütikofer weiter: «Die Verhandlungsdelegation der Arbeitgeber hat immer gesagt, sie würden noch mehr Flexibilisierung im GAV brauchen, um das Vorruhestandsmodell durchkriegen zu können. Im Gegengeschäft zu diesem Modell haben wir ihnen dann etwas gegeben.»

Doch diese Rechnung ging nicht auf: Die Schreinermeister wollen derzeit nichts wissen von Frühpensionierungen ihrer Angestellten. Das Ergebnis: Es gibt nur Verlierer. Die 34'000 Angestellten in der Schreiner- und Möbelbau-Branche in der Deutschschweiz und im Tessin stehen ab dem 1. Januar ohne Gesamtarbeitsvertrag da.

Geraten die Löhne unter Druck?

Laut Unia-Mann Bütikofer entfällt damit der Lohnschutz: Ausländische Entsendebetriebe könnten somit mit tieferen Löhnen in der Schweiz arbeiten. Das könnte die Löhne der Angestellten, aber auch die Auftragsbücher der Arbeitgeber unter Druck bringen. Damit wäre niemanden gedient.

Derweil schieben beide Verhandlungsparteien die Schuld fürs Scheitern der Gegenseite zu. Ein Ausweg ist derzeit nicht in Sicht: Für Neuverhandlungen noch in diesem Jahr fehlt die Zeit. Es scheint, als hätten beide Parteien zu hoch gepokert.

Echo der Zeit vom 22.12.2020, 18 Uhr

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