Im Sudhaus der Brauerei Schützengarten in St. Gallen steht Braumeister Richard Reinart vor grossen, glänzenden Kesseln. In diesen vermischt er geschrotetes Malz aus Braugerste mit Brauwasser. Der technische Direktor der fünftgrössten Brauerei des Landes produziert jährlich 170'000 Hektoliter Bier.
Für einen Teil davon lässt er seit bald 20 Jahren eigens Schweizer Braugerste anbauen. «Wir haben Bauern angeschrieben, sind zur Saatzucht-Genossenschaft in Flawil (SG) gegangen und haben dort Anbauversuche gemacht», erklärt er. «Gewisse Sorten haben wir dann an die Landwirte weitergegeben. Und diese haben sie in unserem Auftrag angebaut.»
Risiko eines Ernteausfalls abgefedert
Der Anbau ist aber heikel, denn die Braugerste kann von einem Pilz befallen werden. Dann ist sie fürs Bier unbrauchbar. Sie würden die Bauern trotzdem entschädigen, denn man suche eine langfristige Zusammenarbeit, so Reinart.
Pro Jahr verarbeitet die St. Galler Brauerei Schützengarten 2900 Tonnen Malz. Rund 100 Tonnen davon stammten 2018 aus Schweizer Braugerste. Daraus entstand ein Spezialbier. Insgesamt sei Schweizer Braugerste fast viermal teurer als jene aus dem Ausland – Mehrkosten, die nicht einfach auf die Kundinnen und Kunden abgewälzt werden könnten, sagt der Braumeister.
Trotzdem wolle man das Angebot ausbauen: «In Zeiten, in denen viel Swissness gefordert wird aber wenige für Swissness bezahlen wollen, haben wir uns gesagt, dass wir das trotzdem auf uns nehmen», so Reinart.
«Wir sehen es als unsere Pflicht und unser Alleinstellungsmerkmal, hier den Anbau von Schweizer von Rohstoffen zu fördern.» Die Hoffnung ist, mit Spezialbieren neue Kundenkreise in der Schweiz erschliessen zu können. Ein Ansatz, den auch andere Klein- und Kleinstbrauereien verfolgen.
Weltkonzern setzt auf lokale Produkte
Kundschaft rund um den Globus hat die grösste Brauerei der Welt, Anheuser Busch (AB InBev). Doch auch für den amerikanisch-belgischen Konzern sei Bier ein lokales Geschäft, sagt Katie Hoard, zuständig für Agro-Innovation und Nachhaltigkeit. Es sei wichtig, die lokalen Bauern langfristig an sich zu binden.
Denn die Nachfrage nach natürlichen, regionalen und Bio-Produkten wachse stetig. Diese Kooperation des Brauereiriesen mit den Bauern gestalte sich je nach Land unterschiedlich. In Schwellenländern brauche es Unterstützung beim Anbau oder Hilfe für neue Kredite bei Banken. In Westeuropa und den USA stehe die Digitalisierung der Landwirtschaft im Fokus, so Hoard.
Die direkte Zusammenarbeit sichere die Qualität der Rohstoffe. Es sei stets nachvollziehbar, welche Bauern unter welchen Konditionen lieferten. Das sei besser als jedes Zertifikat, ist Hoard von AB InBev überzeugt. Der Aufwand zahle sich auch aus, denn diese Transparenz sei gut – fürs Image.
Rendez-vous, 10.02.2020, 12.30 Uhr