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Ungewöhnliche Opposition Rahmenabkommen spaltet die Wirtschaft

Während Guy Parmelin in Brüssel das Rahmenabkommen verhandelt, distanzieren sich Wirtschaftsvertreter zunehmend davon.

3500 Angestellte hat die Zehnder Group. Hans-Peter Zehnder steht ihr in vierter Generation als VR-Präsident vor. Er unterschätzt die Bedeutung der EU als Handelspartner nicht. Die Heizkörper, die sein Werk in Gränichen AG verlassen, werden zu 50 Prozent in EU-Länder exportiert.

Doch: Der Unternehmer wünscht sich vom Bundesrat einen Übungsabbruch. «Das Rahmenabkommen hat vor dem Volk keine Chance», ist er überzeugt.

Souveränitätsverlust befürchtet

Nicht wirtschaftliche, sondern politische Argumente führt Zehnder gegen das Rahmenabkommen ins Feld. Er befürchtet einen Souveränitätsverlust: «Der Erfolg der Schweiz hängt damit zusammen, dass wir tolle Rahmenbedingungen haben, welche wir autonom gestalten können. Mit dem Rahmenabkommen riskieren wir, dass wir diese Autonomie aufgeben müssen».

Damit stellt sich FDP-Mitglied Zehnder gegen den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, bei dem er selber jahrelang im Vorstand sass.

Zulauf für neue Organisationen

Der Widerstand gegen das Rahmenabkommen formiert sich in neuen Organisationen wie «Autonomie Suisse» oder «Kompass Europa». Letztere wurde von den Gründern der Partners Group in Baar ins Leben gerufen – jener Investmentgesellschaft, die an der Börse mittlerweile wertvoller ist als die Credit Suisse.

Multimilliardär Urs Wietlisbach ist einer der Gründer von Partners Group. Er legt Wert darauf, dass «Kompass Europa» ein privates Engagement sei: «Wir sind nicht gescheiter als der Rest der Welt, aber wir haben ein besseres System mit unserer direkten Demokratie und dem Föderalismus. In den nächsten Jahren wird all dies verschwinden, wenn wir das Rahmenabkommen unterzeichnen.»

Wietlisbach kritisiert insbesondere die dynamische Rechtsübernahme und die Europäische Gerichtsbarkeit als oberste Instanz, welche das Rahmenabkommen vorsieht.

«Zertifizierungaufwand wird total überbewertet»

Die wirtschaftlichen Vorteile können die politischen Nachteile nicht aufwiegen, ist auch Marco Sieber überzeugt. Er ist VR-Präsident der Siga Holding im luzernischen Werthenstein.

Das Unternehmen in Familienbesitz beschäftigt rund 550 Mitarbeitende und produziert Klebelösungen, um Gebäude luftdicht und damit energie-effizient zu machen. Zweidrittel des Umsatzes würden in der EU gemacht, von dort beziehe er auch die Rohstoffe und Maschinen.

«Rechne mit Sanktionen»

Einer der fünf Bereiche, welcher das Abkommen regelt, ist die gegenseitige Anerkennung von Produkte-Zertifizierungen. Das müsste für Siebers Unternehmen doch Vorteile bieten, könnte man vermuten, doch Sieber winkt ab: «Der Aufwand für Zertifizierungen wird völlig überbewertet. Das macht einen marginalen Betrag am Verkaufspreis aus und ist nicht entscheidend über Erfolg oder Misserfolg.»

Marco Sieber glaubt, dass mit dem Scheitern des Rahmenabkommens seitens der EU «kleinere Sanktionen» kommen werden. «Denen werden wir halt einfach ausweichen und sie kompensieren».

ECO, 19. April 2021

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