- Die Bundesverfassung schreibt vor, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit gleich viel Lohn erhalten.
- Neue, noch nicht veröffentlichte Daten von Absolventinnen und Absolventen Höherer Fachschulen (HF) deuten allerdings auf markante Lohnunterschiede hin.
- Laut der Erhebung des Verbands der Absolventen höherer Fachschulen (Odec) erhalten Männer mit höherer Berufsbildung im Mittel einen Jahreslohn von 100'000 Franken, Frauen hingegen nur 82'000 Franken.
- Die Differenzen lassen sich mit Ausbildung, Erfahrung, Leistung, Funktion und dem Alter nicht erklären.
«Das Resultat ist schockierend», stellt Thomas Meier fest, der die Gehälter für die Odec erhoben und verglichen hat.
Eine eigene Analyse zum Gesundheitswesen zeige sogar, dass Frauen selbst in staatsnahen Betrieben gut sieben Prozent weniger verdienten. «Sieben Prozent bei gleichwertiger Funktion und Ausbildung ist für mich wahrscheinlich diskriminierend.»
Die Salärstudie des Odec
Der Verband der Absolventen Höherer Fachschulen lässt alle zwei Jahre die Löhne der aktuellen und früheren HF-Abgängerinnen erheben und veröffentlicht die Ergebnisse in einer Broschüre. Für die Salärstudie 2017/2018 sind über 3600 Leute befragt worden. Die Resultate werden Ende September vorgestellt, doch Radio SRF liegen sie bereits vor. |
Die Daten der Odec-Salärstudien sind sehr aussagekräftig, weil darin das exakt gleiche Ausbildungsniveau und gleichwertige Tätigkeiten miteinander verglichen werden. |
Lohngleichstellung stagniert
Die St. Galler Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann zeigt sich enttäuscht. Das Resultat überrasche sie nicht, dennoch stimme es sie «sehr nachdenklich», dass dieser Punkt noch nicht überwunden sei. «Da muss sich wirklich etwas ändern.»
Meier, der Gehälter von Frauen und Männern seit den 1980er-Jahren vergleicht, pflichtet Hanselmann bei. Zwar hätten sich die Löhne inzwischen angenähert, aber nicht genug.
Die Lohnunterschiede sind zwar nicht mehr gleich hoch wie in den 1980er-Jahren. Aber es hat sich zu wenig verändert.
Warum bewegt sich nichts?
Im öffentlichen Bereich gebe es zwar klare Vorgaben für Lohneinstufungen, erklärt Hanselmann. Doch die spätere Gehaltsentwicklung hänge davon ab, wie ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter qualifiziere.
«Und da scheint die Arbeit der Frau immer noch anders eingeschätzt zu werden als jene des Mannes.»
Familiengründung als Bremsklotz
Eine Rolle spielt auch die Familiengründung, wie Helena Trachsel von der Fachstelle für Gleichstellung im Kanton Zürich festgestellt hat. Gründeten die Frauen eine Familie, blieben sie bei der Lohnentwicklung beinahe stehen. Dadurch entsteht der Lohnunterschied laut Trachsel.
Mit der Familiengründung bleiben die Frauen in der Lohnentwicklung beinahe stehen.»
Weil Mütter oft Teilzeit arbeiten und Teilzeitarbeitende fast immer weniger gut bezahlt werden, bleibe die Lohndifferenz meist bis ans Karriereende bestehen, so Trachsel weiter. Unverheiratete Frauen ohne Familie würden bei den Löhnen hingegen kaum diskriminiert.
Höhere Fachschulen im Bildungssystem
Die HF gehören zwar auch zur tertiären Bildungsstufe, sind aber nicht mit den Fachhochschulen zu verwechseln. Die Höheren Fachschulen sind stärker auf die Berufspraxis ausgerichtet und betreiben keine eigene Forschung. Um eine HF zu besuchen, braucht es keine Maturität, sondern eine abgeschlossene Berufslehre und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung. |
2016 haben 8470 Berufsleute einen Bildungsgang an einer HF abgeschlossen, 4087 davon waren Frauen, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) schreibt. Die Zahl der Frauen, die eine HF abschliessen, hat sich laut BFS in den letzten sechs Jahren verfünfacht. Grund sei vor allem die Anerkennung der Fachstudien im Gesundheitsbereich. |
Arbeitgeber kritisieren Studie
Trotz des soliden Datenmaterials der Odec weisen Arbeitgeber auf die methodischen Problemen solcher Erhebungen hin. Fredy Greuter vom Arbeitgeberverband bemängelt, dass solche «theoretischen» Untersuchungen nicht alle Kriterien berücksichtigten, die für den Lohn relevant seien.
In solche Studien fliessen nicht alle lohnrelevanten Kriterien ein.
So fehlten beispielsweise auch in der Odec-Studie Unterbrüche im Arbeitsleben wie Babypausen. Und das sei eine gewichtige Differenz, so Greuter. «Sie ist aber gleichbedeutend mit einem unerklärten Lohnunterschied, nicht mit einer Diskriminierung.»
Lohntransparenz soll helfen
Einig sind sich Fachleute, dass die Frauen selbst mehr einfordern sollten. Um den eigenen Marktwert besser einschätzen zu können, würde es helfen, zu wissen, was die Kollegen für die gleiche Arbeit erhalten.
Für Hanselmann müsste daher in der Schweiz unbedingt Lohntransparenz eingeführt werden.
Lohntransparenz ist aus meiner Sicht ein Muss.
Ob das in der Schweiz umsetzbar ist? Lohnspezialist Meier glaubt daran: Schliesslich habe es die Schweiz auch geschafft, das Bankgeheimnis abzuschaffen.