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WEF 2016 «Du blutest jeden Monat – und stirbst nicht?»

In Indien ist die Menstruation nach wie vor mit einem Tabu belegt. Darunter leiden Abertausende junger Mädchen. Aditi Gupta lässt sich indes nicht den Mund verbieten. Mit einem klugen Buch im Gepäck ist die Unternehmerin ans WEF gereist, um die Periode ins Gespräch und auf die Agenda zu bringen.

Für fast jedes vierte Mädchen in Indien geht ab dem elften Lebensjahr die Schulzeit zu Ende. Nicht etwa, weil es nicht mehr lernen wollte oder ihm das Geld für die Lehrmittel fehlte. Es weicht mit dem Austritt Schimpf und Schande aus, die es ab der ersten Regelblutung allmonatlich hätte ertragen müssen.

Die Menstruation gilt in Indien tatsächlich nach wie vor als Teufelszeug. Wenn Mädchen menstruieren, dürfen sie das Essen nicht berühren, weil sie es verdürben. Sie sollen keine Tempel besuchen, da sie diese entheiligten. Und sie sollen nicht schwimmen gehen – sie könnten während ihrer Tage angeblich schwanger werden.

Keine Frage der sozialen Klasse

Hinter den Mythen, die sich um die Regelblutung ranken, steht laut Aditi Gupta ein tief verankertes Unwissen. «Im Lehrplan ist keine Aufklärung vorgesehen, und auch zu Hause wird nicht darüber gesprochen», erläutert die 31-Jährige aus Ahmeelabad.

Die Menschen, welche die Periode interpretieren, kennen sich selbst und ihren eigenen Körper nicht.
Autor: Aditi Gupta Unternehmerin und Global Shaper am WEF

Dabei sei das Tabu in seinem Kern weder religiös, noch eine Frage der sozialen Klasse. Es komme in der Stadt wie auf dem Land gleichermassen vor – und perpetuiere sich seit Jahrhunderten selbst: «Die Menschen, welche die Periode interpretieren, kennen sich selbst und ihren eigenen Körper nicht. Und sie kennen sich nicht, weil ihnen an Wissen mangelt.»

Den entscheidenden Anstoss, sich mit einem eigenen Unternehmen gegen die Diskreditierung der Menstruation zu wehren, hat Aditi Gupta durch ihren Ehemann und Geschäftspartner erfahren. Er, der nur mit Brüdern aufgewachsen war und dessen Mutter sich zum Thema stets diskret verhalten hatte, war angesichts der Regelblutung seiner Freundin in Angst aufgelöst: «Oh Gott», sagte er aus Mangel an Wissen. «Du blutest jeden Monat und stirbst nicht?»

Nicht zufällig ein Comic

Aditi Gupta und ihr Ehemann eigneten sich dann im Internet soviele Informationen wie möglich an. Sie loteten landesweit die Wissensdefizite in Sachen Regelblutung aus, indem sie mit Ärzten und Lehrern sprachen. Und im Bewusstsein, dass sie eine vergleichsweise gute Bildung genossen hatte, beschlossen sie, ihr Wissen zu teilen.

Wenn ein Buch zu explizite Bilder zeigt, ist es nicht akzeptabel für die Eltern.
Autor: Aditi Gupta Unternehmerin und Global Shaper am WEF

Aditi Gupta

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Aditi Gupta ist Co-Founderin des Start-ups 'Menstrupedia'. Sie versteht sich als soziale Unternehmerin, zumal sie Mädchen und junge Frauen über die Menstruation aufklären will. Als Ford Foundation research Scholar hat sie darüber intensive Forschung betrieben. Am WEF ist sie als Global Shaper zu Gast.

«Menstrupedia», das Start-Up, das daraus 2013 entstand, hat sich in erster Linie dem Verkauf eines Buches verschrieben. Dieses ist unterdessen in sieben Sprachen übersetzt, wird an Individuen und Schulen in Indien, Nepal und Südamerika geliefert und ist nicht zufällig als Comic konzipiert.

Die Überlegung der Jungunternehmer war die folgende: «Wenn ein Buch zu explizite Bilder zeigt, ist es nicht akzeptabel für die Eltern. Zwar lesen Mädchen das Buch. Aber die Eltern kaufen es, und die Lehrer entscheiden, ob das Buch an die Klasse gelangt.»

Selbsbewusstsein als Schutz gegen Gewalt und Krankheiten

Die Strategie von «Menstrupedia» scheint aufzugehen. Mittlerweile sind 5 Personen beim Konzern angestellt. 30 indische Schulen und 10 indische NGOs arbeiten mit. Und zwei Organisationen in Nepal und eine in Südamerika sind assoziert.

Im Internet hat sich ferner eine Social Community etabliert, die sich laufend über Erfahrungen mit der Periode austauscht. 100'000 Visitors pro Monat lassen keinen Zeifel daran zu, dass die Gründer mit ihrer Idee einen Nerv getroffen haben.

Wenn sich eine Zehnjährige für ihren Körper schämt, wehrt sie sich auch nicht gegen physische Gewalt.
Autor: Aditi Gupta Unternehmerin und Global Shaper am WEF

Das Ziel von Aditi Gupta und ihren Kollegen geht dabei weit über die Aufklärung hinaus. «Nicht nur die Erziehung ist ein Problem, sondern auch das Selbstbewusstsein.» Wenn man einem zehnjährigen Mädchen eintrichtere, dass es unrein sei, schäme es sich auch für seinen Körper. Und wenn es sich für seinen Körper schäme, wehre es sich auch nicht gegen phyische Gewalt.

Aus Mangel an Hygiene können Krankheiten entstehen

Kommt dazu, dass Mädchen ihre Körperpflege vernachlässigten, wenn sie ihr Geschlecht als unsauber erführen. Die Folgen sind, so Aditi Gupta, teils schwere Krankheiten.

Längerfristig solle «Menstrupedia» nachhaltig werden. In dem Sinn, als es zu weiteren Forschungen anreize. Ungeachtet der industriellen Revolutionen und obwohl es jeden zweiten Menschen betreffe würden laut der jungen Unternehmerin keine Innovationen im Bereich Hygieneartikel gemacht. Und diese Marktlücke klaffe keineswegs nur in Indien, sondern betreffe auch die entwickelten Länder.

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