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Weniger Geld fürs Tierwohl Labelfleisch: Detailhändler verärgern die Bauern

Landwirte fordern von Migros und Coop faire Entschädigungen für die Produktion von Label-Fleisch. Sie kritisieren tiefere Zuschläge und Abnahme-Mengen. Die Vertrauensbasis ist gestört.

Migros und Coop verkaufen Labelfleisch wie «Naturafarm» und «Terrasuisse». Es ist Fleisch aus tiefreundlicher Haltung. Bauern erhalten dafür von den Grossverteilern einen sogenannten Labelzuschlag und vom Bund Direktzahlungen.

Doch die Zuschläge waren früher höher. Und Coop reduzierte die Abnahmemengen. Das verärgert die Landwirte.

«Situation für Produzenten hat sich verschlechtert»

Meinrad Pfister ist Landwirt und Präsident von Suisseporcs, dem Schweinezucht- und Schweineproduzentenverband. Er selbst produziert seit 12 Jahren für das Migros-Label «Terrasuisse», davor jahrelang für Coop. Noch früher für ein anderes Label der Migros. Die Situation für Produzenten habe sich verschlechtert.

«Ich habe ursprünglich mal angefangen mit einem Franken zusätzlich pro Kilo Schlachtgewicht. Als die Direktzahlungen kamen, hat man auf einen Schlag die Label-Zuschläge halbiert, die Direktzahlungen somit gleich eingepreist. Dann sind die Zuschläge tendenziell weiter gesunken.»

Investitionen ins Tierwohl

Mitte der 90-er Jahre hatte Meinrad Pfister den Hof seiner Eltern im luzernischen Altishofen übernommen. Und investierte gleich in neue Stallungen. «Das war genau die Zeit, als die Labels entstanden sind. Wir haben an die Zukunft dieser Labels geglaubt, und wir wollten etwas machen für das Tierwohl.»

Wer für ein Label produziert, muss in die Tierhaltung investieren. Schweine etwa müssen einen Aktivitätsbereich und eine gedeckte Liegefläche haben. Beides muss täglich ausgemistet und mit frischem Stroh ausgelegt werden.

Für ihre Investitionen und die Mehrarbeit erhalten die Bauern von den Abnehmern den Label-Zuschlag.

Dieser beträgt in der letzten Februarwoche bei «Terrasuisse» 30 Rappen, bei «Naturafarm» 50 Rappen pro Kilogramm Schlachtgewicht. Dazu kommen die Direktzahlungen für tierfreundliche Haltung von umgerechnet 19 Rappen.

Tiefere Labelzuschläge

ECO wollte von den beiden Detailhändlern wissen, warum die Labelzuschläge seit 1992 abgenommen haben. Migros weicht aus und nimmt nur Bezug auf die letzten 12 Jahre: «Seit dem Start von «Terrasuisse» bezahlen wir etwa gleichbleibende Zuschläge». Frühere Zahlen und Daten lägen nicht vor.

Auch Coop nimmt nicht klar Stellung zum angefragten Zeitraum, teilt ECO lediglich schriftlich mit: «In den letzten 20 Jahren hat sich der ausbezahlte Zuschlag von 50 Rappen nicht verändert.» Laut Branchenverband Suisseporcs betrug der ausbezahlte Zuschlag vor 20 Jahren allerdings einen Franken.

Schock des Bauern wegen Strategiewechsel bei Coop

Seit Anfang Jahr hat Coop die Abnahmemenge beim Label «Naturafarm»-Schwein um 30 Prozent reduziert. Und beim Kalbfleisch wird das Label auf Ende Jahr ganz gestrichen.

Landwirt Benno Elmiger im luzernischen Ermensee mästet seit über 15 Jahren Kälber für das Coop-«Naturafarm»-Programm. Als Coop im Jahr 2016 die Richtlinien verschärfte, investierte Benno Elmiger nochmals gut 25'000 Franken. Er vergrösserte den Stall, weil die Tiere mehr Platz erhalten mussten. Und er stellte zusätzliche Boxen für die ganz jungen Kälber auf.

Kurz vor Weihnachten 2018 dann ein Brief von Coop: Das Kälberprogramm Coop-«Naturafarm» werde auf Ende 2020 eingestellt. Für Landwirt Benno Elmiger war es ein Schock: «Ich konnte es fast nicht glauben, dass Coop dieses Label einstellt. Zwei Jahre zuvor waren sie erst noch bei mir und haben klar gesagt, dass dies für Coop ein wichtiges strategisches Feld ist.»

Vertrauensverlust gegenüber Coop

Dass dies nach zwei Jahren schon wieder fertig ist, hat Benno Elmiger nicht gedacht. «Das ist eine Enttäuschung und ein Vertrauensverlust gegenüber Coop.» Elmiger betont, dass er die Zusammenarbeit mit Coop bis zu diesem Zeitpunkt sehr geschätzt habe.

Coop erklärt die Absetzung des «Naturafarm»-Labels bei Kalbfleisch mit der rückläufigen Nachfrage bei Kalbfleisch, diese sei in der Schweiz zwischen 2010 und 2017 um 20 Prozent zurückgegangen.

Unsichere Zukunft

Das unternehmerische Risiko tragen die Bauern ohne zu wissen, wie lange die Programme tatsächlich laufen, für die sie investieren.

Auch Benno Elmiger kann seine Investitionen nicht mehr amortisieren. Wie es weiter geht, weiss er noch nicht. «Bis Ende 2020 kann ich meine Mastkälber noch in diesen Kanal liefern. Das heisst, ich habe auch noch den Zuschlag.» Er hofft, ein anderes Label zu finden. «Danach muss ich schauen, ob sich ein neues Türchen öffnet. Schade wäre, wenn ich wieder nach konventionellem Standard produzieren müsste.»

«Fleisch aus konventioneller Tierhaltung ist zu billig»

Unterstützung erhalten die Bauern vom Schweizer Tierschutz. Geschäftsführer Stefan Flückiger betont die Wichtigkeit der Labels für das Tierwohl.

«Die Entwicklung war klar in der Vergangenheit: man will diese Programme ausbauen. Darum hat die öffentliche Hand diese auch klar unterstützt und gefördert. Wenn das jetzt eine Stagnation oder gar einen Rückschritt gibt, ist dies ein ganz schlechtes Signal.»

In Kürze wird der Tierschutz eine Studie veröffentlichen. Fazit: Fleisch aus konventioneller Tierhaltung sei gegenüber dem Labelfleisch zu billig, die Preise verzerrt. Und damit unattraktiv für den Konsumenten.

«Die Preise müssen sich angleichen, damit das Labelprodukt wieder attraktiv wird. Nur so können wir die Tierwohlbewegung vorantreiben», so Flückiger.

Migros und Coop betonen beide die Wichtigkeit des Tierwohls und ihre fairen und marktgerechten Preise.

Verstärkte Jagd nach Aktionen

Box aufklappen Box zuklappen

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer achten bei Lebensmittel auf Sonderangebote. Das besagt eine Studie des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Fuhrer & Hotz.

60 Prozent der Konsumenten gelten demnach als Schnäppchenjäger. Grossverteiler und Discounter reagieren: 30 Prozent ihres Lebensmittel-Umsatzes erzielen sie mit Sonderangeboten.

Reguläre Produktepreise sind in der Schweiz deutlich teurer als im umliegenden Ausland. Sonderangebote seien ein Weg, die Konsumenten wieder die Läden zu holen.

ECO, 24.02.2020

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