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Yves Kilchenmann «Etwas Halbbatziges zu machen hat keinen Sinn»

Vor zehn Jahren hat der Berner Yves Kilchenmann (36) die Firma «Livesystems AG» mitgegründet. Das Konzept: Die Bildschirme in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Tankstellen mit Nachrichten und Unterhaltung zu bespielen. Nun geht er einen Schritt weiter und stellt mit dem Start-up-Unternehmen «nau.ch» die Seiten mit journalistischen Inhalten selber her, auch für das Online-Portal. Finanziert wird das neue Angebot zu 98 Prozent mit Werbung.

SRF News: Fast jede Woche gibt es in der Medienbranche Entlassungen, verschiedene Redaktionen fusionieren. Und Sie lancieren ein neues Medium. Wie kommt man auf diese Idee?

Grundsätzlich muss man den Background der Firma verstehen. Wir sind seit zehn Jahren in den öffentlichen Verkehrsmitteln und an Tankstellen auf den Bildschirmen präsent. Wir haben also ein ziemlich breites Publikum, das täglich mit unseren Inhalten in Berührung kommt. Unsere Ambition ist es, das Produkt, das draussen bei den Schweizerinnen und Schweizern ankommt, möglichst gut zu gestalten. Und das macht man idealerweise mit Journalistinnen und Journalisten.

Zuvor haben sie den aktuellen Inhalt, die News, eingekauft, mit Ihrem neuen Unternehmen produzieren Sie ihn nun selbst. Wäre es nicht günstiger, diese Inhalte weiterhin einzukaufen?

Grundsätzlich war das Feedback auf die eingekauften Inhalte gut, aber wir konnten das Produkt selbst nicht steuern. Mit eigenen Journalistinnen und Journalisten ist das jetzt möglich. Das sehe ich als grosse Qualitätssteigerung, und deshalb ist der Einkauf keine Option mehr.

Es gibt keine Themen, über die wir nicht sprechen.
Autor: Yves Kilchenmann CEO von nau.ch

Für «nau.ch» wurden etwa 50 Journalistinnen und Journalisten eingestellt, sehr viele davon junge Leute. Es gibt aber auch «grosse Namen» – weshalb sind die Leute zu Ihnen gekommen?

Es sind zwei Faktoren: Einerseits haben wir eine grosse gegebene Reichweite...

4000 Bildschirme, über 1,5 Millionen Userinnen und User pro Tag...

Genau, und das ist nicht eine Website oder eine Zeitung, sondern viele sagen, es sei eher Twitter-ähnlich. Man muss mit wenig Bildern, Wörtern und Videos auf den Punkt kommen. Das ist eine grosse Herausforderung. Sehr viele Medienschaffende stellen sich dieser gerne. Der zweite Grund ist, dass wir ganz klar sagen, es gibt keine Themen, über die wir nicht sprechen. Und das sind Argumente, die die meisten überzeugt haben, zu uns zu kommen.

Aber da sind auch Medienschaffende darunter, die für das Start-up eine sichere Stelle aufgegeben haben?

Ja, aber sie wissen, dass sie von «sicher» zu «sicher» wechseln. Wir sind seit zehn Jahren am Markt präsent und erfolgreich mit unseren Produkten. Es ist eine Produkteerweiterung im Bestehenden. Mit einer Stelle bei uns geht man kein Risiko ein.

Aber sind Sie ein risikofreudiger Mensch?

Ich glaube, es wäre fahrlässig, wenn man 100 Prozent Risiko eingehen würde. Kein Risiko einzugehen ist aber auch falsch, das wäre Status Quo. Man muss wissen, wie viel Risiko vertretbar ist. Man muss immer wissen, was passieren könnte. Wir maximieren den Risikofaktor.

Was heisst das?

Wir gehen fast bis an die Grenze, schauen, wie weit wir gehen können, damit es im immer noch funktioniert. Das Risiko der Investition darf maximal sein, weil wir finden, dass etwas Halbbatziges sinnlos ist. Weil man sich im Nachhinein immer fragen würde, was wäre, wenn man es richtig gemacht hätte. Also, die Risikobereitschaft ist bei mir sicher vorhanden, wobei ich das Wort Risiko nicht optimal finde. Risiko ist negativ behaftet. Ich glaube, es ist eher Mut.

Ich will mich nicht im Nachhinein fragen müssen, was anders gewesen wäre, wenn ich mehr Risiko eingegangen wäre.
Autor: Yves Kilchenmann CEO von nau.ch

Früher hat man zwei Jahre lang an etwas gearbeitet und es dann veröffentlicht. Dann hat man geschaut, was die Leute finden, Top oder Flop. Heute ist das ganz anders. Heute veröffentlicht man ein Produkt, kriegt Kundenfeedback und kann das Produkt innert kürzester Zeit anpassen. Dadurch wird das Produkt zusammen mit den Kunden entwickelt. Und ich glaube, das ist genau das, was wir machen.

Das Interview wurde von Martina Koch geführt.

(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr)

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