Die Handlung ist im Niemandsland angesiedelt, an der Grenze zu einem mutmasslichen Terrorstaat. Eine alte Frau hat sich nach ihrer Heimat gesehnt und ist offenbar gegen den Ratschlag ihrer Tochter zurückgekehrt, dort dann allerdings verschwunden.
Nach verzweifeltem Warten an der Grenze verständigt die Tochter (Juliane Lang) ihren Bruder (Clemens Maria Riegler). Die Geschwister haben sich lange nicht mehr gesehen.
Die Erinnerung an traumatische Erlebnisse und gegenseitige Vorwürfe prägen die Begegnung. «Wegen dir wäre ich nicht gekommen», stellt der Bruder klar. Dennoch stellen sich Momente von Nähe ein.
Die Zürcher Autorin Sabine Harbeke hat die Angewohnheit, ihre Stücke selber zu inszenieren. Sie lässt die Geschwister ihre Zwänge durch Körperverrenkungen ausdrücken, sie rennen oder schlagen ausdauernd gegen Wände. Das wirkt bisweilen etwas gar klischiert. Doch dank des starken Textes überzeugt der erste Teil des Theaterabends.
Getrenntes Paar
Nach der Pause wiederholt sich das Szenario, unter allerdings geänderten Vorzeichen: Auf seine Mutter wartet diesmal ein Mann mittleren Alters (Peter Ender), zur Unterstützung hat er seine Frau (Wiebke Kayser) herbei beordert. Wie sich bald zeigt, leben die beiden seit kurzem in Trennung. Zugetan sind sie sich immer noch, der Mann flirtet mit der Frau.
Nicht nur sie, auch das Publikum kann sich fragen: Hat die Mutter, um deren Schicksal es ja ursprünglich ging, die Grenze überhaupt je passiert? Oder wollte hier ein Mann an eine unterbrochene Beziehung wieder anknüpfen? Ging es etwa auch der Schwester gar nicht in erster Linie um die Mutter, sondern um den entfremdeten Bruder?
Zum Schluss - und wie als Antwort auf diese Fragen - wird die Gewalt aber real: Soldaten zerlegen das aus einem Unterstand und einer Ramsch-Auslage bestehende Bühnenbild (Viola Valsesia).
Mit «Nahkampf» beendet das Luzerner Theater seine Trilogie von Uraufführungen in dieser Saison. Das Stück ist noch bis Mitte Juni zu sehen.