Anlass für die seltene Schussrekonstruktion waren Vorkommnisse in Erstfeld in der Nacht vom 12. November 2010. Der damals 31-jährigen Frau des Barbetreibers wurde auf dem Heimweg kurz vor ihrem Wohnhaus von hinten in den Rücken geschossen.
Die Fussgängerin überlebte schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem damaligen Ehemann vor, einen Killer auf seine Frau angesetzt zu haben. Der Beschuldigte bestreitet die Tat.
Für den vom Urner Obergericht angeordneten Augenschein wurde das Erstfelder Wohnquartier Bärenboden am Montag ab 21 Uhr für eineinhalb Stunden zur Sperrzone. Zur Sicherheit war ein Kugelfang aufgestellt worden, einzelne Fenster waren abdeckt.
Neun Schüsse abgefeuert
Ein Mitarbeiter des Forensischen Instituts Zürich feuerte mit der Originaltatwaffe bei drei Durchgängen mit jeweils unterschiedlichen Schritttempi und Schusstakten jeweils drei Schüsse auf eine wenige Meter entfernte, fahrbare Zielscheibe ab.
Die Szenarien wurden von den Prozessparteien eingebracht. Beim Forensiker handelte es sich um einen geübten Schützen. Insgesamt fielen neun Schüsse.
Eine Schussrekonstruktion mit echter Munition sei selten und aussergewöhnlich, erklärt Kurt Zollinger, Sprecher des Forensischen Instituts Zürich. Letztmals sei eine solche 2010 in Pratteln BL durchgeführt worden.
Richter und Verteidiger vor Ort
Bei der aussergewöhnlichen Rekonstruktion sei es darum gegangen, dem Gericht und den Prozessparteien zu zeigen, was sich anhand der Spuren hätte abspielen können, sagt Zollinger. Die Forensiker hätten versucht, bei den unterschiedlichen Szenarien das damals am Tatort vorgefundene Spurenbild wiederherzustellen.
Am Augenschein nahmen unter anderem die fünf Richter sowie der Verteidiger teil. Welche Schlüsse Anklage und Verteidigung aus dem Augenschein ziehen, geben sie an der Gerichtsverhandlung bekannt. Die Neuauflage des Berufungsprozesses gegen den Erstfelder Barbetreiber beginnt am 19. Oktober. Der Prozess vor dem Urner Obergericht soll rund zweieinhalb Wochen dauern.