Im 19. Jahrhundert war das Zürcher Oberland die Hochburg der helvetischen Textilindustrie. Viele Bauern, die auf einen Zusatzverdienst angewiesen waren, dienten den Patrons als billige Arbeitskräfte. Die Spinnereien und Webereien standen an einem der zahlreichen Gewässer, vor allem der Töss entlang, die als Energiequelle dienten. Oft wohnten die gut qualifizierten Fachkräfte in Sichtweite der Fabrikanten.
In Kollbrunn stehen heute noch ehemalige Arbeiterhäuser. «Die Patrons hatten ein ureigenes Interesse an einer zufriedenen Arbeiterschaft, um den Gewerkschaften entgegenzuwirken», erklärt der Winterthurer Industriearchäologe Hans-Peter Bärtschi gegenüber «Schweiz aktuell». Bis zum Ersten Weltkrieg war die Textilindustrie der führende Wirtschaftszweig in der Schweiz.
Das langsame Sterben der Textilindustrie
Der Niedergang begann mit der Weltwirtschaftskrise in den Dreissigerjahren. Die Billigkonkurrenz aus Asien versetzte den letzten Betrieben in den Achtzigerjahren den Todesstoss. Bis auf eine Spinnerei in Sennhof bei Winterthur und eine Weberei in Russikon sind fast sämtliche Textilunternehmen verschwunden. Zahllose alte Fabriken liegen im Dornröschenschlaf oder werden zu Wohnungen umgebaut.
Letzte Weberei im Zürcher Oberland
Aus der Blüte der Textilindustrie hat im Zürcher Oberland nur eine Weberei überlebt, die Weberei Russikon. Der 1890 gegründete Betrieb beschäftigt heute noch rund 70 Mitarbeitende im Dreischicht-Betrieb. Überlebt hat die Weberei unter anderem, weil sie sich auf die Herstellung edler Roh- und Buntgewebe spezialisiert hat. Ihr grösster Absatzmarkt ist Afrika. So stellt sie beispielsweise den teuren Stoff für die traditionellen westafrikanischen Bubus her.
Der Verbleib der Weberei Russikon ist aber nicht in erster Linie dieser Spezialisierung zu verdanken. Hauptgrund ist, dass 1996 ein österreichischer Konzern die Aktienmehrheit übernommen hat. So produziert die Weberei Russikon weiterhin am selben Standort wie vor über 120 Jahren, jetzt allerdings unter österreichischer Führung.