Lucia Witte wohnte zwischen 2009 und 2011 im Altersheim Selnau, wo sie mit ihrem Klavier und einer grossen Unternehmungsslust lebte. Sie übte oft auf ihrem Zimmer und eines Tages fragte der Heimleiter, Gabriel Eichenberger, «was sie da spielt». Es waren ihre Eigenkompositionen: In einem A5-Heft hatte sie zwischen 1952 und 1973 über siebzig kurze Kompositionen aufgeschrieben.
Ein professionell gespieltes Konzert
Gabriel Eichenberger sorgte dafür, dass die von Hand geschriebenen Noten in eine Version übertragen wurden, welche vervielfältigt werden konnte. Ein erstes Konzert mit den Kürzeststücken Lucia Wittes, das im Altersheim von Klavierschülerinnen und -schülern aufgeführt wurde, war von mässigem Erfolg gekrönt.
Darauf kontaktierte Gabriel Eichenberger den Pianisten Joshua Nowak. Dieser traf eine Auswahl der Stücke und trug sie im August 2012 vor, erneut im Altersheim Selnau. Bei diesem Konzert war Lucia Witte zum ersten Mal anwesend und hörte ihre eigenen Kompositionen – und war sichtlich gerührt, wie Gabriel Eichenberger dem «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» erzählt.
C-Moll für Louis Hildebrand
Die meisten Lieder sind unter einer Minute lang und überwiegend in c-Moll geschrieben, was eine «traurige Grundstimmung» erzeuge, wie der Pianist Joshua Nowak erklärt. Einige Stücke sind Anleihen an Schubert und Chopin, aber auch Stimmungsbilder und Impressionen. Der gesamte Zyklus widmete Lucia Witte ausdrücklich einem gewissen «Louis Hildebrand». Gabriel Eichenberger vermutet, es könne eine Jugendliebe sein oder jemand, der ihr nahe stand. Lucia Witte selbst spricht nicht über ihre Kompositionen.
Lucia Witte stammt aus Berlin, wo sie 1937 geboren wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg lernte sie in Konstanz Klavier spielen und zog 1953 nach Zürich. Dort erwarb sie Ende der 50er-Jahre am Konservatorium Zürich das Lehrerdiplom und arbeitete darauf als Klavierlehrerin.