Der Titel ist gewagt: «1900-1914. Expedition ins Glück». Die aktuelle Ausstellung im Landesmuseum Zürich zeigt die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als eine Epoche technischer Innovationen und Entdeckungen, des Fortschrittsglaubens, der künstlerischen Avantgarde und gesellschaftlicher Umbrüche.
Die Ausstellung versucht, auf die Zeit zwischen 1900 und 1914 zu blicken, ohne etwas vom 1. Weltkrieg zu wissen. «Dann sehen wir Glückswolken, man hat alles Mögliche neu entdeckt, die Frauen konnten sich endlich aus dem Mieder befreien», sagt Kurator Stefan Zweifel im «Regionaljournal Zürich Schaffhausen». Diese Zeit sei von einem Glücksrausch, von der Selbstbefreiung jedes Einzelnen geprägt gewesen. Damit dieses Experiment gelingt, sind die Besucherinnen und Besucher gefordert.
Grosses Glasspiegel-Kabinett
Wie in einem Kaleidoskop zeigen die Ausstellungsmacher unzählige Facetten, um ein Bild der Welt vor 100 Jahren zu schaffen. In Glasvitrinen und auf Glaswänden sind mehr als 300 Exponate, Kunstwerke, Fotografien und Filme zu sehen. Die kuriose Vielfalt erinnert eher an das Konzept der Wunderkammer als an eine zeitgenössische Ausstellung. Doch wer sich darauf einlässt, stellt fest, wie das eine aufs andere verweist.
Thematisiert werden Feminismus und Weltfrieden, Verkehr und Konsum, technischer Fortschritt und utopische Lebensentwürfe, Südpolexpeditionen und Kolonialismus, Psychoanalyse und Kafka, Konsum und Freizeit, Reformpädagogik und Massenmedien. Dazwischen Werke von Künstlern wie Ferdinand Hodler, Egon Schiele, Gustav Klimt, Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso, Wassily Kandinsky oder Emil Nolde.
Der Besucher weiss kaum, wohin den Blick als nächstes wenden. Rechts neben Nietzsches Marmorbüste läuft ein Schwarz-Weiss-Film über den tragischen gescheiterten Versuch, mit einem Fallschirm vom Eiffelturm zu springen, linker Hand steht eine technische Neuentwicklung, ein Röntgenapparat. Oldtimerfans dürften begeistert sein von Alfa Romeos stromlinienförmigem Tropfenauto «La Bomba».
40 Sekunden Dunkelheit
Auch wenn die Ausstellung den Ersten Weltkrieg bewusst nicht thematisiert, ganz ohne einen Verweis darauf kommt sie nicht aus und zeigt ein Bild des Attentats auf den Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin in Sarajewo.
Und schliesslich wird auch der Schrecken des Krieges deutlich, wenn Besucherinnen und Besucher am Ende der Ausstellung etwa 40 Sekunden durch einen stockdunklen Gang tappen. Er führt 23 Meter weit durch die Finsternis, akustisch begleitet von der Geräuschkulisse eines Schützengrabens, zurück zur Pariser Weltausstellung von 1900, einem der verheissungsvollen Ausgangspunkte der «Expedition ins Glück».