In Zeiten der Cobra-Trams kaum noch vorstellbar: Ein Pferd zieht den Tramwagen, ein Kutscher lenkt das Gefährt durch die Innenstadt. Auch sonst sei eine Tramfahrt ein ganz anderes Erlebnis gewesen als heute, erzählt Bruno Gisler, Tramspezialist und Autor des Buches «Rösslitram – illustrierte Geschichte der Zürcher Pferdebahn»: «In jedem Wagen fuhr ein Kondukteur mit. Die Wagen waren ausserdem sehr klein: Es hatte gerade mal 28 Plätze.» Auch das Tempo war mit dem heutigen in keiner Weise vergleichbar.
Mit dem «Rösslitram» zur Arbeit
Nebst den sogenannt «Mehrbesseren», die sich mit dem Tram in die Innenstadt chauffieren liessen, wurde es genutzt, um zum Arbeitsplatz zu fahren. Der Takt war hoch, zum Teil höher als heute: Ab dem Limmatquai fuhr alle drei Minuten ein Tram. Im Einsatz standen über 200 Pferde.
Abonnemente gab es noch keine, ein Billet kostete innerhalb der Stadt 10 Rappen. «Es war erschwinglich, auch für die einfachen Leute», sagt Gisler weiter. Ein Bier habe zu jener Zeit auch so viel gekostet.
Ein hartes Pferdeleben
Für die Pferde war es ein sehr anstrengender Dienst: Die Tramwagen wogen samt Passagiere bis zu drei Tonnen. Dieses Gewicht musste ein einziges Pferd bei jeder Haltestelle von neuem anziehen. Dreieinhalb Stunden musste es durchhalten, dann wurde es ausgewechselt und konnte sich in den Stallungen erholen. Die Pferde, kräftige Ardenner, wurden aus Luxemburg importiert und waren wertvoll; jedes kostete 1'000 Franken – fast der Jahreslohn eines Arbeiters. «Dementsprechend wurde den Pferden Sorge getragen», erzählt Gisler. Sie wurden von einem Tierarzt periodisch untersucht. War eines krank, war oft Rotwein das Mittel der Wahl:
Bei Fieber bekamen die Pferde Rotwein zum Saufen – anscheinend hat es genützt.
Einzigartig, wie vielfach kolportiert wird, ist das Zürcher «Rösslitram» aber nicht: In über 1000 Städten wurden Pferde vor Schienenfahrzeuge gespannt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte das «Rösslitram» dann bereits ausgedient. Es galt als überholt, unzuverlässig und langsam. Die Linien wurden elektrifiziert. Am 17. September 1900 wurde das letzte «Rösslitram» ins Depot überführt.
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Bild 1 von 4. Hauptsächlich Stuten zogen die Tramwagen, wie hier entlang des Sechseläutenplatzes. Bildquelle: zvg.
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Bild 2 von 4. Der Bahnhofplatz um die vorletzte Jahrhundertwende: Die Tiere vor dem «Rösslitram» sind stark gefordert. 1889 hatten sie nur jeden 10. Tag frei, zwei Jahre später dann alle 8 Tage. Der Tierschutz hielt die Augen offen und beschwerte sich, wenn ein Pferd zu hart arbeiten musste. Bildquelle: zvg.
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Bild 3 von 4. Bei Kälte achteten die Kutscher auf möglichst kurze Wendezeiten, damit die Pferde nicht auskühlten. Bei Hitze wurden sie mehrmals am Tag abgewaschen. Bildquelle: zvg.
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Bild 4 von 4. Zwei Linien waren in Betrieb: Eine führte vom Tiefenbrunnen in die Enge. Die andere vom Helmhaus nach Aussersihl. Bildquelle: zvg.