Ob eine fünfwöchige Wanderung auf dem Jakobsweg oder eine sechswöchige Reise durch Südostasien: Die Beweggründe für eine solche Reise sind bei vielen Menschen dieselben. Meistens fand zuvor ein Wendepunkt im Leben statt. Eine Scheidung, der Verlust des Jobs, die Pensionierung. Beide Gruppen, ob Pilgerin oder Rucksacktourist, wollen wieder lernen, auf ihre Bedürfnisse zu achten, sind auf der Suche nach Sinn in ihrem Leben.
Zu diesen und anderen Erkenntnissen gelangte Tommi Mendel, Religionswissenschaftler an der Universität Zürich, in seiner Filmdissertation. Der Forscher begleitete zwei reisende Frauen, drehte rund 100 Stunden Film und erstellte eine Analyse heutiger Reisekultur.
Man muss nicht fromm sein um zu pilgern
Mendel erkannte auf seinen Reisen, dass die Grenzen zwischen den beiden Reisegruppen nicht trennscharf verlaufen. Pilger sind nicht zwingend gläubige Christen. Andererseits können Reisen von Rucksacktouristen einen religiösen Touch annehmen. Die Religiosität ist nicht rückläufig, sagt Mendel, sondern weist plurale Züge auf. Bezeichnend das Beispiel einer Reisenden, die im Anschluss an eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg einen indischen Ashram aufsuchte.
Gemeinsam ist allen Reisenden auch, dass gute Vorsätze - mehr Zeit für sich, weniger Stress - zuhause nicht nachhaltig umgesetzt werden können. Es geht offenbar nicht lange, dann hat sie der Alltag wieder.
(kerf; Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 12:03 Uhr)