Als der Bundesrat vor über drei Monaten den Lockdown angeordnet hatte, veränderte sich auch das Leben der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP): Die Stadträte arbeiteten plötzlich im Home-Office, Regierungssitzungen wurden per Videokonferenz abgehalten, und der tägliche Veranstaltungs-Marathon fiel aus. Vor allem aber gab plötzlich der Bund strenge Leitlinien vor.
SRF News: In der Krise hat der Bund die grossen Entscheide gefällt. Obwohl die Städte die finanziellen Folgen tragen mussten, wurden sie kaum einbezogen – ein Frust für Sie als Stadtpräsidentin?
Das überlegt man sich in einem solchen Moment nicht. Die Entscheide waren vorgegeben, und das oberste Ziel bestand darin, die Pandemie zu bewältigen. Alle haben in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich einen Beitrag dazu geleistet. Bundesrätin Karin Keller-Suter hat kürzlich in einem Interview gesagt, sei sie im Moment des Lockdowns mit «Haut und Haaren» Bundesrätin gewesen. Ich kann diese Haltung gut nachvollziehen: Man erhält eine Aufgabe – und diese zu lösen, dominiert alles andere.
SRF News: Der Zürcher Stadtrat hätte aber beispielsweise gerne früh eine Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr eingeführt, hat rasch eine Kampagne dazu gemacht. Hat der Bund solche Wünsche der Städte zu stark ignoriert?
Wir sind sehr erleichtert, dass der Bund die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr nun einführt. Schliesslich ist es kein grosser Aufwand, in einen Bus, ein Tram oder einen Zug zu steigen und eine Maske anzuziehen. Nun sind die Voraussetzungen dafür geklärt. Dies war übrigens während der ganzen Corona-Krise ersichtlich: Hat der Bund klare Entscheide gefällt und Vorgaben gemacht, war die Umsetzung für uns einfacher.
SRF News: Der Bund hätte also mehr auf die Wünsche der Städte eingehen müssen?
Die Kampagne wurde zu einem Zeitpunkt gemacht, als der Bund bereits dringend empfohlen hat, eine Maske zu tragen. Wir wollten diese Empfehlung dadurch unterstützen. Es ist aber tatsächlich so: Zuerst hat der Bund entschieden, danach folgten die Kantone. Auf kommunaler Ebene mussten wir in erster Linie umsetzen, was auf Bundes- und Kantonsebene beschlossen wurde.
Es war sehr klar, wie wir in den Lockdown gehen.
So funktioniert unser Staatssystem und ich war froh, dass der Bund in dieser Krisensituation eine klare Führung übernommen hat. Letztlich ist es uns gelungen, die Ziele zu erreichen: Das Gesundheitswesen ist nicht kollabiert, die öffentliche Sicherheit konnte aufrechterhalten werden und die Fallzahlen sind gesunken. Es war sehr klar, wie wir in den Lockdown gehen. Heute habe ich manchmal das Gefühl, aus dem Lockdown zu kommen ist schwieriger, als damit anzufangen.
Das Gespräch führte Michael Ganz.