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Wo es wohl mehr modische Strömungen gibt - in der Politik oder in der Fashion-Welt?
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Mailänder Modewoche im Zeichen des Wahlkampfes

In Italien wurde nicht nur gewählt, sondern auch die neue Herbstmode auf den Mailänder Laufstegen gezeigt. Und natürlich war der italienische Wahlkampf bzw. die Parlamentswahl auch in der Modebranche ein Thema.

So richtig Spass machte das Thema aber niemandem. Wenn man die Mode als Indikator für die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Wandel nimmt, so scheint Italien auch gar keine Lust auf viel Neues zu haben.

«Die Politik? Ach Du lieber Himmel - lass uns das Thema wechseln.» So lautete die Standardantwort der italienischen Markenverantwortlichen. Man rollt mit den Augen, winkt ab oder dreht rhetorische Pirouetten, doch so richtig wollte sich niemand dazu äussern, wie Italien nach diesen Wahlen dastehen könnte.

Vermutlich geht‘s - auch mit neuer Besetzung - weiter wie bisher. So war‘s in Italien ja immer schon. Es wird jetzt eine neue Regierung geben, aber diese Welt der Politik hat in Italien ja schon recht lange nichts mehr mit dem Leben der Menschen zu tun.

Die Modeleute halten auf jeden Fall ganz bewusst Distanz zur Politik, weil irgendwelche Bekenntnisse zum einen oder anderen Lager ja auch immer den möglichen Kundenkreis einschränken könnte. Es geht den italienischen Marken nicht gut genug, als dass sie sich solches leisten möchten.

Im Inland lahmt der Umsatz enorm, also liegt der Fokus der italienischen Designer ganz auf Export - man macht mit dem Label «Made in Italy» und mediterraner Dolce Vita vor allem in den neuen Märkten des nahen und fernen Osten gute Geschäfte. Dort will man aus Italien vor allem Luxus, Pelz und Pracht sehen. Für Modernität oder Minimalismus hat man in China wenig übrig und bevorzugt den grossen modischen Pomp von Armani, Gucci, Versace, Dolce & Gabbana oder Roberto Cavalli.

Junge Talente, die gegen diese Traditionsfixiertheit und heile Welt rebellieren, haben in Italien keinen Stich. Der Nachwuchs ist also samt und sonders ausgewandert. Die letzten, die es geschafft haben, waren vor gut 25 Jahren Dolce & Gabbana. Seither ist Funkstille. Die Branche hat es, anders als etwa New York oder London, oder sogar Paris, sträflich vernachlässigt, auch den Jungen eine Chance zu geben. Die haben in Mailand keinen Stich. Vielleicht ist die Modewelt also gar nicht so anders wie die Politik - das Establishment verteidigt seine Reviere.

Die italienische Mode hat sich also von der gesellschaftlichen Entwicklung in ihrer Heimat abgekoppelt und versucht nicht mehr ein Spiegel der Zeit, sondern ein Fluchtort zum Zeitgeschehen zu sein. Sie ist eine Art Traumwelt, mit Heiligenbildern und kleinen Krönchen bei Dolce & Gabbana, mit einer lebender Sexpuppen bei Versace oder traumwandelnden Fimdiven bei Gucci.

Wenn jemand die italienische Mode erneuert, dann geschieht es mit Hilfe von aussen. Und diese Hilfe kommt - Ironie der Geschichte - derzeit vor allem aus Deutschland, vom Süddeutschen Tomas Maier bei Bottega Veneta und von der Norddeutschen Jil Sander. Ihre Kollektionen gehörten auch diese Saison zum besten, was die Mailänder Modewoche hergab.

Bei Prada reagierten die Fans entzückt auf die neuen, das Knie bedeckenden Rock- und Kleiderlängen mit den asymmetrischen Säumen. Es wird angezogener. Die Kollektion sieht dunkel, nachdenklich und - bei aller Klarheit der Handschrift - auch recht kompliziert aus. Vielleicht (unfreiwillig) doch ein politisches Statement zur Zukunft Italiens?

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