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80 Jahre freie Presse Die erste Süddeutsche Zeitung nutzte Hitlers Druckplatten

Gegründet im ehemals braunen München, war sie ein Symbol für Demokratie. Heute steht die Pressefreiheit unter Druck.

6. Oktober 1945: «Zum ersten Male seit dem Zusammenbruch der braunen Schreckensherrschaft erscheint in München eine von Deutschen geleitete Zeitung. Sie ist von den politischen Notwendigkeiten der Gegenwart begrenzt, aber durch keine Zensur gefesselt, durch keinen Gewissenszwang geknebelt».

Titelblatt der Süddeutschen Zeitung vom 6. Oktober 1945 mit Artikel über Dr. Högners Regierung.
Legende: So sah sie aus, die erste Ausgabe der Zeitung am 6. Oktober 1945. Süddeutsche Zeitung

Das waren sie, die ersten Sätze auf der Frontseite der Süddeutschen Zeitung (SZ). Sie war eine sogenannte Lizenzzeitung. In München, der grössten Stadt der amerikanischen Besatzungszone, hatten die USA den drei Herausgebern die Lizenznummer 1 für die freie Presse in Bayern übergeben.

Ausgerechnet in Amerika schüchtert heute der Präsident die kritischen Medien ein.
Autor: Judith Wittwer Chefredakteurin Südddeutsche Zeitung

«Dieser Akt war ein klares Zeichen für den Aufbruch in eine neue Ära der Aufklärung, Freiheit und Demokratie», sagt die heutige Chefredakteurin der SZ, Judith Wittwer. Ein besonders symbolträchtiger Akt unterstrich dies: «Für die Druckplatte der Erstausgabe wurde ein Teil des Bleisatzes von Hitlers ‹Mein Kampf› eingeschmolzen». Das hatte Signalwirkung, insbesondere in Bayern. Es war die einstige Hochburg der nationalsozialistischen Bewegung.

Männer in Hüten versammeln sich um Zeitungen auf einer Strasse.
Legende: Die erste Ausgabe der SZ erscheint. Sie ist acht Seiten dünn und immerhin 20 Pfennig teuer. Picture alliance / SZ Photo / Francé

Qualitätstageszeitung seit 80 Jahren

Die Süddeutsche Zeitung etablierte sich rasch als «Autorenzeitung». Ihr Anspruch gehe über die reine Berichterstattung hinaus. «Wir versuchen, mit einem besonderen Blick, manchmal vielleicht auch mit einer ironischen Blickweise auf die Welt zu schauen. Aber natürlich immer auf der Basis von Fakten.» Die Verpflichtung gegenüber der Wahrheit präge die Zeitung bis heute.

Heute ist die Süddeutsche, abgesehen von der Boulevard-Zeitung «Bild», die grösste Qualitäts-Tageszeitung Deutschlands. Die Medienlandschaft hat sich jedoch drastisch verändert. Das klassische Geschäft mit der gedruckten Zeitung steht unter Druck. Auflagen und Werbeeinnahmen sinken.

Meilensteine der Pressegeschichte im In- und Ausland

Doch die SZ habe Glück: «Print und Online zusammengenommen, haben wir so viele Leserinnen wie nie zuvor. Wir können uns mit den Erlösen der Abonnenten finanzieren.» Das mache sie unabhängiger. Aber klar, auch die Süddeutsche sei längst mehr als bloss eine gedruckte Zeitung. «Man liest uns im Netz, man hört uns als Podcast und sieht uns auf Tiktok.»

Eine grosse Herausforderung sei die künstliche Intelligenz. Wie wird sie den Journalismus verändern? Gleichzeitig könne sie auch eine Chance sein. Die SZ nutze sie für Artikelzusammenfassungen, für Wahlbots, oder auch für personalisierte Jahresrückblicke. Doch eines bleibe entscheidend: «Am Ende steht immer der Mensch.» Die Überprüfung der Informationen sei zentral, denn «darauf basiert ja auch seit 80 Jahren unsere Glaubwürdigkeit». Die Chefredakteurin betont: «Der Autorenjournalismus bleibt stets im Zentrum.»

Sorgen um die Pressefreiheit

Die Freiheit der Medien wurde nach dem Krieg mühevoll errungen und im Grundgesetz verankert. Und heute, 80 Jahre danach? Da stellt sich die Frage, wie selbstverständlich ein unabhängiger Journalismus noch ist. Wittwer verweist auf Anfeindungen und Bedrohungen von Journalisten. Und: «Ausgerechnet in Amerika schüchtert der Präsident höchstpersönlich die kritischen Medien ein. Ausgerechnet in jenem Land, welches die freie Presse zurück nach Bayern gebracht hatte.»

Trotz des Jubiläums der Süddeutschen Zeitung schwingen bei Chefredakteurin Judith Wittwer auch nachdenkliche Gedanken mit. «Die Freiheit der Medien ist so stark bedroht wie nie seit der Gründung der süddeutschen Zeitungen vor 80 Jahren».

Radio SRF 1, «Morgengast», 6.10.2025, 7:15 Uhr

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