Zum Inhalt springen

Brauch Maitannli stecken Maitannli: ein stiller Liebesbeweis im Frühling

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai ziehen junge Burschen durchs Dorf und stellen den Mädchen eine Tanne in den Garten. Was es mit dem Brauch auf sich hat.

Es ist ein Brauch, den man im Grossteil der Schweiz nicht kennt: Maitannli stecken, auch Maitannli stellen genannt. Insbesondere in den Kantonen Solothurn, Aargau und Bern lebt man den Brauch heute noch. Dabei ziehen junge Männer in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai durch die Quartiere und stellen Mädchen ein Maitannli auf das Dach oder in den Garten.

Die Mädchen müssen dann herausfinden, wer für die Tanne verantwortlich ist und haben ein Jahr Zeit, um die jungen Männer zum Essen einzuladen. Sonst müssen sie damit rechnen, dass im nächsten Jahr in ihrem Namen eine Strohpuppe aufgestellt wird.

Ein Maitannli für den Schwarm

Früher galt die Tanne als ein Liebesbeweis, unter anderem im Kanton Bern. Die Jungen versehrten sie mit dem Namensschild ihrer Angebeteten und stellten sie ihr vors Haus.

So sehen die Maitannli aus

So fanden auch Mathias und Madeleine Grütter aus Biembach im Emmental zueinander. Alles fing an, als Mathias vor 16 Jahren für Madeleine in der Nacht ein Maitannli aufstellte.

Und heute sind sie verheiratet

Madeleine Grütter erinnert sich noch gut, wie die Tanne ausgesehen hatte: 20 Meter hoch, geschmückt mit bunten Bändern und einer kleinen Holztafel mit ihrem Namen. Den Brauch kannte sie zwar, hatte aber nie gedacht, selbst einmal ein Maitannli zu bekommen. Als sie am nächsten Morgen die Tanne entdeckte, war sie überrascht.

Drei Tage lang brauchte Madeleine Grütter, um herauszufinden, von wem sie stammte: «Aber ich hatte insgeheim gehofft, dass sie von Mathias war.» Schliesslich fasste sie sich ein Herz und sprach ihn an – mit Erfolg. Eine Woche später waren die beiden ein Paar. Heute sind Mathias und Madeleine Grütter verheiratet.

Eine grosse Tanne statt vieler kleiner

Der Brauch hat sich über die Jahre verändert. Heute stellt das Maitannli weniger ein Liebesbeweis dar, sondern einen gemeinsamen Brauch. Die jungen Männer stellen zusammen den Mädchen, die mitmachen möchten, ein Tannli auf.

Mittlerweile ist es in vielen Gemeinden auch üblich, anstatt mehrerer kleiner einen grossen Maibaum im Dorfkern aufzustellen: für alle Mädchen, die 18 Jahre alt werden.

Maibaum-Tradition in anderen Ländern

Box aufklappen Box zuklappen

Das Aufstellen eines Maibaums als Frühlingsbrauch ist ebenfalls in Deutschland, Ungarn, Tschechien und Skandinavien verbreitet.

Das Entwenden von Gegenständen in der Nacht auf den 1. Mai gibt es auch in Teilen von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland.

In der Schweiz ist das Maibaumstellen insbesondere auch im Kanton Basel-Landschaft bekannt. Dort wird am 1. Mai von lokalen Vereinen entweder ein etwas kürzerer, geschmückter Baum auf den Brunnenstock des Dorfbrunnens gesetzt oder es wird auf einem zentralen Platz ein hoher Maibaum aufgestellt, um den die lokale Trachtengruppe einen Bändertanz aufführt.

Quelle: Lebendige Traditionen, Bundesamt für Kultur BAK

Speziell am Brauch ist, dass die Jugendlichen selbst dafür verantwortlich sind. Weder ein Verein noch die Gemeinde organisiert das Maitannli stecken. Es machen nur die Jugendlichen mit, die möchten. Oftmals können sie jedoch auf die Unterstützung der Gemeinde zählen, zum Beispiel wenn es um das Besorgen der Tannen geht.

Alles wird geklaut

In vielen Gemeinden, wie zum Beispiel in Schnottwil SO, gehört das «Vertschleipfen» zum Maitannli-Brauch. Dabei schnappen sich die Jungs alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aus den Gärten der Bevölkerung: Stühle, Velos oder auch den Grill. Verschont bleibt nur, wer am 30. April etwas zum Trinken oder Essen vor die Haustüre stellt. Die Gegenstände landen dann auf dem Dorfplatz, wo man sie am nächsten Tag wieder abholen kann.

Doch nicht alle haben Freude daran. Verwaltungsangestellte Andrea Brocco bestätigt, dass es deswegen auch schon Beschwerden bei der Gemeinde gab, insbesondere von Zugezogenen, die den Brauch nicht kennen. «Darum druckt die Gemeinde seit zwei Jahren ein Flugblatt, das an alle Haushalte verteilt wird», sagt sie. So möchte die Gemeinde Missverständnisse rund um den Brauch vermeiden.

Radio SRF 1, Treffpunkt, 29.4.2025, 10:00 Uhr

Meistgelesene Artikel