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Bundesverfassung Schweiz Die Verfassung der USA als Vorbild?

Seit 1848 hat die Schweiz eine Bundesverfassung. Viele sagen, es handle sich um eine Kopie aus den USA. Ein Politikwissenschafter erklärt, was die Schweizer Verfassung mit der amerikanischen gemein hat und was nicht.

Die Bundesverfassung hat die Schweiz vor 175 Jahren als Land zusammengeführt und geeint. Sie ist das wichtigste Rechtsdokument. Die Grundrechte sind darin kurz und bündig, meist nur in einem Satz festgehalten. Auch viele andere Fragen des Zusammenlebens sind darin geregelt. Entstanden ist die Bundesverfassung in einer Zeit der revolutionären Wirren in Europa und turbulenten politischen Ereignisse in der Schweiz.

«Hausordnung» der Schweiz

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Wieder einmal lesen, was in der Bundesverfassung steht?

Amerikanische Verfassung als Inspiration – aber nicht als Vorlage

Die Schweiz nahm sich die US-Verfassung zum Vorbild. Einige sagen auch, die Schweizer Verfassung sei eine Kopie der amerikanischen. Das sieht der Politikwissenschafter Wolf Linder anders.

Was die Schweiz tatsächlich von den USA kopiert hat, ist die Kombination von Föderalismus und Demokratie. Denn was in Amerika bereits praktiziert wurde, kannte man damals in der Schweiz noch nicht. Dieses Zweikammersystem hat die Schweiz von den USA übernommen. Mit dem Mehrheitsprinzip des Volkes und dem Mehrheitsprinzip der Kantone brachte man alles unter einen Hut.

Die direkte Demokratie hingegen habe allerdings nicht die USA in die Schweiz exportiert, sondern umgekehrt, sagt Wolf Linder. In diesem Punkt habe die Schweiz nämlich einen Vorsprung. Viele amerikanischen Einzelstaaten hätten sogar die Initiative und das Referendum als politische Mittel nach Schweizer Vorbild übernommen.

US-Verfassung versus Schweizer Bundesverfassung

«Die beiden Verfassungen sind völlig unterschiedlich», sagt Wolf Linder. Die amerikanische Verfassung sei ein Dokument, das über allem stehe – hoch oben am Himmel sozusagen. Sie sei fast schon «heilig» und auch nur schwer zu ändern.

Die Schweizer Verfassung hingegen sei vergleichsweise bodenständig. Sie werde oft in Abstimmungen an die aktuelle Zeit oder neue Bedürfnisse angepasst. Das Volk muss wichtige Entscheidungen im Staat immer bestätigen.

Nicht so in den USA. Dort seien die grössten Veränderungen ohne jegliche Abstimmung erfolgt – allein durch Interpretationen von Verfassungstexten durch den obersten Gerichtshof oder über juristische Hilfskonstruktionen, meint der Politikwissenschafter.

Schweizer Bundesverfassung bleibt zeitgemäss

In den vergangenen 175 Jahren gab es 200 Verfassungsabstimmungen und davon sind zirka ein Viertel verworfen und drei Viertel angenommen worden.

Wir sehen immer nur das <Salami-Scheibchen>, aber nie die ganze Salami.
Autor: Wolf Linder Politikwissenschafter

Zu den wichtigen Verfassungs-Abstimmungen in den vergangenen vierzig Jahren zählt Wolf Linder unter anderem diese Vorlagen: AHV-Einführung, EWR-Abstimmung, Finanzausgleich zwischen Bund und Kanton oder Ausbau der Energie (Wasserkraft bis Kernkraft). Diese Änderungen kamen aus dem Parlament und über alle hätten wir abgestimmt. «Wir sehen immer nur das <Salami-Scheibchen>, aber nie die ganze Salami», ergänzt Linder. Einige Ideen für Abstimmungen seien aber auch Ideen aus dem Volk – etwa der 1. August als bezahlten Feiertag oder die autofreien Sonntage in den 1970er-Jahren.

«Treffpunkt» vom 11.9.2023 um 10 Uhr, Radio SRF 1 ; 

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