Unsere Zukunft ist digital. Das Internet und die mobile Kommunikation dringen in alle Lebensbereiche ein. Ein Teil der Gesellschaft läuft allerdings Gefahr, vom Informationsfluss und von der Kommunikation teilweise oder ganz abgehängt zu werden.
Grundsätzlich empfinden wir die Digitalisierung als positiv. Sie erleichtert uns im Alltag zahlreiche Aufgaben. Trotzdem ist sie für einen Teil der Menschen auch bedrohlich. Mangelnde Schulbildung, eine Lese- oder Schreibschwäche, eine schwache Schul- und Allgemeinbildung, eine defensive Haltung gegenüber Neuerungen oder Armut sind Faktoren, die den digitalen Graben vergrössern.
Hohe Internetabdeckung, oft rudimentäre Kenntnisse
Der Anteil der Internetnutzer an der Gesamtbevölkerung der Schweiz betrug 2018 laut Bundesamt für Statistik 90 Prozent. Die hohen Prozentzahlen zeigen aber nicht die ganze Wahrheit. In der Stadtbibliothek Basel läuft seit Sommer 2018 ein Pilotprojekt. Wer einfache Fragen zum Internet, zum Gebrauch des Laptops oder zu Smartphone und Apps hat, bekommt von sogenannten «Digicoaches» unentgeltlich Auskunft und Anleitung.
«Wir haben eine Liste von Fragen erstellt, die uns in den vergangenen Monaten gestellt wurden. Die Liste umfasst mehrere A4-Seiten», erzählt Digicoach-Leiterin Gabi Mächler. «Jemand wollte beispielsweise wissen, wie man eine Kündigung digital verfassen und versenden kann. Diese Person war drei Jahre lang nicht mehr im Netz und hatte alles vergessen. Es sind auch viele ganz praktische Alltagsfragen rund um den Gebrauch des Smartphones.» Bei komplexeren Fragen wird man auf Kursangebote hingewiesen, die verschiedene Organisationen anbieten.
«Planet 13»: Hilfe zur Selbsthilfe
Ebenfalls in Basel beheimatet ist das Internetcafé «Planet 13». Freiwillige helfen mittellosen Menschen in der Region Basel über den digitalen Graben auf die andere Seite. «Pro Monat haben wir 2500 Besuche in unserem Internetcafé», sagt Christoph Ditzler vom Leitungsteam. Er selber habe bei der Gründung vor elf Jahren mitgeholfen und sei selber arbeits- und mittellos gewesen: «Wer Sozialhilfe bezieht oder als Migrant nur wenig oder kein Geld hat, ist komplett vom Netz separiert. Es fehlt Geld für einen Laptop oder für einen Onlinezugang.»
Man biete im «Planet 13» auch Hilfe in anderen Bereichen. Es gebe Kurse in Deutsch und Englisch oder man unterstütze die Leute beim Schreiben von Bewerbungen. «Zudem haben wir eine Reparaturwerkstatt für Computer», sagt Ditzler. Wichtig sei die Hilfe zur Selbsthilfe. «Ziel ist es, die Leute zu befähigen, in diesen Dingen selbständig zu werden.»
Nathan Gomez aus Angola ist einer der regelmässigen Besucher im «Planet 13»: «Ich bin ausgebildeter Elektriker und kenne mich mit Computern aus. Hierhin komme ich, um meine E-Mails zu checken oder um etwas auszudrucken. Wenn ich beispielsweise mit einer Behörde in Kontakt bin und ich gutes Deutsch schreiben muss, komme ich auch hierher. Auch dabei wird mir hier geholfen.»
Der «digitale Graben» und Strategien dagegen
Der digitale Graben verläuft quer durch alle Generationen. Es existiert allerdings auch eine Kluft, die tatsächlich auch altersbedingt ist.
Das Internetcafé «Planet 13» und das niederschwellige Coachingangebot der Stadtbibliothek Basel sind Beispiele für Bausteine für den Aufbau von digitalem Wissen. Ein wichtiger Schritt gegen den digitalen Graben in der Gesellschaft machen die Volksschulen in der Schweiz. Mit dem Lehrplan 21 halten jetzt obligatorische Computer- und Medienkunde Einzug in den Schulunterricht. Dabei geht es um basale Grundkenntnisse in Computerwissen: «Wie funktioniert eine Tastatur?» «Wie funktioniert ein Algorithmus?», aber auch darum, wie man ausgiebig und nicht nur rudimentär im Internet recherchiert, wie man die Qualität einer Quelle überprüfen kann und welche rechtlichen Grundsätze im Netz gelten. «Die Schulen sind im Aufbau der Fächer, der Beschaffung digitaler Geräte und der Ausbildung der Lehrkräfte unterschiedlich weit», sagt zum Beispiel Charles Vincent, der Leiter der Dienststelle Volksschulbildung im Kanton Luzern. «Aber grundsätzlich ist man auf Kurs und ich rechne damit, dass wir im Kanton Luzern bis 2022 alle bereit sind.»
Digital Native: Die These, dass der Jahrgang etwas mit digitalen Kompetenzen zu tun hat, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Der digitale Graben geht quer durch die Generationen hindurch.
Philippe Wampfler, Gymnasiallehrer, Dozent und Experte für Lernen mit digitalen Medien schätzt, dass die digitalen Fähigkeiten schweizweit sehr unterschiedlich verteilt sind. Oft seien digitale Grundfähigkeiten bei Jugendlichen und Erwachsenen nur rudimentär vorhanden, beispielsweise beim Recherchieren im Internet. In der Bildungsoffensive sieht er eine Chance, den digitalen Graben zu verkleinern.
Wer nicht gut lesen kann, stösst digital an Grenzen
«Wer Mühe mit Lesen und Schreiben hat, wird auch digital rasch an die Grenzen stossen», sagt Brigitte Aschwanden vom Verein «Lesen und Schreiben». Etwa neun Prozent aller Schulabgänger sind hiervon betroffen. «Wer Texte nicht richtig versteht oder schreiben kann, hat heute noch grössere Mühen als früher, wo man zum Beispiel vieles auch ohne Rapporte erledigen konnte. Immer sind ja auch viele Informationen nur noch online greifbar.»